© Lukas Ilgner

LIVING Salon: Wie weit reicht ganzheitliches Planen und Bauen?

Das Dienstleistungsspektrum in der Immobilienbranche ist in den letzten Jahren deutlich breiter und differenzierter geworden. Viele bieten Planen, Bauen und Wohnen aus einer Hand an. Wie weit reicht der Service? Was erwartet der Kunde? Und was nicht? Eine Architektin, eine Immobilienmaklerin und eine Vorständin eines gemeinnützigen Bauträgers im Gespräch.

02.11.2020 - By Wojciech Czaja

LIVING: Genussvoll von Greißler zu Greißler schlendern oder doch lieber in den Supermarkt, wo Sie alles unter einem Dach kriegen und nur noch in den Einkaufswagen legen müssen? Welcher Typ sind Sie?
Pamela Zoidl: Ich bin eher der Greißlertyp. Man gibt im Endeffekt mehr aus, weil man meist exklusivere Produkte einkauft, aber dafür hat man die Beratung und den menschlichen Kontakt. Johanna Schuberth: Ich bin beides. Manchmal freue ich mich, mir etwas Gutes zu gönnen. Manchmal aber will ich einfach nur effizient sein und die Sache schnell hinter mich bringen. Dann gehe ich in den Supermarkt.
Isabella Stickler: Ich bin auch beides, aber stets mit einem Fokus auf Regionalität. Der schnelle Einkauf ist zwar praktisch, und ­­ es spricht nichts dagegen. Beim Wohnen geht es aber um eine langfristigere, größere Investition, da finde ich den Supermarkt-Gedanken ein bisschen gefährlich.

Inwiefern?
Stickler: Weil sich Kunden beim Anmieten beziehungsweise Ankaufen nicht immer ausreichend überlegen, ob die Wohnung dauerhaft finanzierbar bleibt. Der Immobilienmarkt ist kein Supermarkt.

Der US-amerikanische Raum ist bekannt dafür, Mieter und Käuferinnen wie in einem One-Stop-Shop zu verwöhnen und Wohnung, Interior-Gestaltung, Möblierung, Gartenarbeit und Concierge aus einer Hand anzubieten. Wie beliebt oder wie verbreitet ist das amerikanische Modell in Europa?
Stickler:
In meiner jahrelangen Tätigkeit beim Bauträger Alpenland bin ich genau ein einziges Mal damit konfrontiert worden. Ein kanadisches Ehepaar hat ein möbliertes Muster-Reihenhaus bei uns besichtigt und wollte genau dieses mit genau diesen Mustermöbeln, also voll ausgestattet. Das passiert nicht oft!

Auf österreichische Kunden trifft das weniger zu?
Stickler:
Die lassen sich gerne davon inspirieren und kaufen aus der Mustermöblierung das eine oder andere Stück, aber niemals die ganze Einrichtung. Unsere Kunden sind es auch nicht gewöhnt, ein Gesamtpaket zu kaufen.
Zoidl:
Auf dem frei finanzierten und hochpreisigen Markt schaut die Situation etwas anders  aus. Da wollen die Käuferinnen und Käufer weder Mustermöbel noch eingerichtete Küchen. Ich kann mich an eine Wohnungsbesichtigung in der Piaristengasse erinnern, da waren wir ganz stolz auf den eleganten Waschtisch mit Marmorplatte. Doch unsere Materialwahl und Farbkombination war für die Käuferin unmöglich. Sie hatte eine komplett andere Vorstellung und bestand auf eine neue Variante.

»Wenn ich mich mit meinem Architekten gut verstehe und ihn mag, dann darf er bei mir bis zum letzten ­Suppenlöffel alles machen.«

Johanna Schuberth, Schuberth und Schuberth

Johanna Schuberth: »Mir fällt auf: Vor allem Männer übernehmen gerne Wohnungen mit fixfertigen Küchen.« 

Wie geht es Ihnen dabei?
Zoidl: Man bleibt gelassen und professionell. Aber es tut ein bissl weh.

Manche Bauträger im Luxussegment bieten unterschiedliche Ausstattungslinien an. Da hat der Kunde dann die Wahl zwischen Urban Style, Old Cottage und Premium Executive.
Zoidl: Das ist bei uns kein Thema. Im Zweifelsfall lieber eine ganz leere Wohnung ohne Bad- und Küchenmöblierung. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr die Welten divergieren, vor allem, wenn es um Küchen geht!
Schuberth: Wir haben da eine ganz andere Erfahrung gemacht. Wir richten, wenn wir Bauträger-Projekte für den frei finanzierten Markt planen, meist schöne Küchen in einem schlichten Weiß an. Keine Ikea-Küche, aber auch keine Bulthaup-Möbel, irgendwas dazwischen. Dazu gönnen wir uns ein paar Gimmicks wie etwa eine bunt lackierte Rückwand oder einen aufregenden Fliesenspiegel. Das wird von den Mieterinnen und Mietern ei-gentlich sehr gut angenommen!
Zoidl: Klingt nach einem feinen, praktikablen Modell. Würde mich sehr freuen, lässt sich mit unserem Kundenprofil aber nicht vereinbaren. Schuberth Mir fällt auf: Vor allem Männer übernehmen gerne Wohnungen mit fixfertigen Küchen. Ich könnte mir vorstellen, dass das damit zusammenhängt, dass sie sich dann den oft mühsamen und langwierigen Küchenplanungsprozess ersparen.

Wie ist das im gemeinnützigen Bereich?
Stickler:
Die Kosten für fixfertig ausgestattete Küchen lassen sich in unserem Sektor mit dem Fokus auf Baukosten- und Förderobergrenzen schwer vereinbaren. Gerade in die Küchenplanung fließt viel Individualität der Kunden ein. Das zeigt auch unsere Erfahrung aus Zweit- und Drittbezügen, wo Nachmieter die Küche nicht übernehmen wollten – auch dann nicht, wenn der Vormieter erst kurz zuvor eine neutrale, hochwertige Küche eingebaut hatte. Daher sind wir dazu übergegangen, dass jeder Bewohner bei Rückgabe des Mietobjekts an uns seine Küche demontieren muss – auch wenn das manchmal schmerzt und ökologisch und ressourcentechnisch eine Katastrophe ist.

Bekannt geworden ist das Büro Schuberth und Schuberth mit kleinen, kompakten Projekten wie etwa Stelzenhäusern, Miniwohnungen und Würstelständen. Sind solche Bauaufgaben ohne das komplette Planungsspektrum überhaupt machbar?
Schuberth: 
Nicht wirklich. Bei solchen speziellen Bauaufgaben, wo wir oft auf sehr kleiner Fläche arbeiten, zählt jeder Quadratzentimeter. Man kann keinen Würstelstand entwerfen und realisieren, ohne dabei bis zum letzten Elektrogerät und bis zum allerletzten LED-Strahler alles mitzudenken und integral mitzuplanen.

Und wie ist das bei Ihren Privathäusern und Privatwohnungen? Wie weit darf und soll die Interior-Planung reichen?
Schuberth:
Das klingt sehr banal, aber das hängt letztendlich von der Chemie zwischen Architekt und Auftraggeber ab. Wenn man merkt, dass einen über die berufliche Komponente hinaus nicht viel mit dem anderen verbindet, dann würde ich davon abraten. Wenn man sich mag und gemeinsame Werte teilt, dann kann das ein schöner, fruchtbarer Planungsprozess sein.
Stickler: Das kann ich mir gut vorstellen! Mit der richtigen Chemie geht’s leichter.
Schuberth: Projekte mit Privatbauherren können sehr intensiv sein. Man verbringt viele Stunden miteinander, redet über Schlaf- und Essgewohnheiten, fragt nach, wie breit das Klo sein soll und wie viele lange Mäntel und Ballkleider es gibt, die in der Garderobe und im Schrankraum Platz finden müssen. Das ist ein sehr intimer Prozess. Ich finde ­das sehr schön. Aber das geht nur, wenn man sich gegenseitig wirklich, wirklich sympathisch findet.

Im hochpreisigen Segment passiert es manchmal, dass Käufer ihren eigenen Architekten mitnehmen und dann alles umplanen lassen.
Schuberth: Das haben wir auch schon ­ mal gemacht! Das birgt Konfliktpotenzial.
Zoidl: Oh ja! Sie sagen es! Gerade im hochpreisigen Segment nehmen die Menschen viel Geld in die Hand, und dann wollen sie, dass alles perfekt wird. Immer wieder hören wir, dass der Käufer sagt: »Tolle Lage, tolles Projekt, passt eh alles, aber innen wollen wir es ganz anders haben, eine perfekt auf uns zugeschnittene Lösung.« Und dann legen sie uns die Pläne ihres eigenen Architekten vor.

Klingt irgendwie kompliziert.
Zoidl: 
Manche Wünsche lassen sich natürlich in eine Planung integrieren. Keine Frage, das ist bis zu einem gewissen Grad unser Service. Doch manchmal sind Wünsche technisch sehr aufwendig oder schlicht und einfach nicht machbar – wenn man etwa einen Installationsschacht verlegen müsste oder einen offenen Kamin einplanen muss, obwohl es keinen Rauchfang gibt.
Stickler: Das ist bei uns nicht anders. ­ Egal, welches Preissegment, welche Wohnform und welche Kundenschicht – die Wohnung ist immer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, und daher muss sie einfach ­perfekt sein. Jeder hat seinen ganz persön­lichen Wohntraum. Das ist vollkommen ­verständlich! Nur ist dieser Wohntraum ­ nicht immer mit dem Budget oder dem ­ von uns angebotenen Mietobjekt vereinbar.

»Ich bin eher der Greißlertyp. Man gibt im Endeffekt mehr aus, weil man meist exklusivere Produkte einkauft, aber dafür hat man die Beratung und den menschlichen Kontakt.«

Pamela Zoidl, Liv

Pamela Zoidl: »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr die Welten auseinander divergieren, vor allem, wenn es um Küchen geht!« 

Was tun Sie in so einem Fall?
Stickler:
Zum Angebot bei Alpenland gehört, dass wir einen kompletten Service rund ums Wohnen aus einer Hand anbieten – sämtliche Beratungsleistungen und manchmal auch die Empfehlung, sich in einer anderen Lage für ein anderes Produkt zu entscheiden.

Wie reagieren Ihre Kunden auf so einen ­Vorschlag?
Stickler:
Sie sind eigentlich sehr dankbar, weil ihnen das mehr Orientierung gibt.

Bietet Liv auch so eine Dienstleistung an?
Zoidl: 
Nein, aber das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass unsere Kunden zum überwiegenden Teil schon ganz genaue Vorstellungen und vor allem auch Finanzierungspläne haben, wenn sie sich bei uns nach einem passenden Objekt erkundigen. Aber ich finde das Angebot im gemeinnützigen Bereich sehr überzeugend.
Stickler: Bei unserem St. Pöltner ­Projekt »Mühlbach Ost« bieten wir unseren Kunden sogar einen One-Stop-Shop an. ­Das heißt: Der Kunde hat von der konkreten Objektsuche über die Finanzierungsberatung bis hin zur Sonderwunschabwicklung und Planungshilfestellung im Bereich Küche und Bad einen fixen Ansprechpartner. Durch eine Kooperation mit dem Möbelhaus Leiner können wir auch  die komplette Einrichtungsberatung und -planung mit anbieten. Das spart dem Kunden Zeit und Wege.

Viele tun sich mit Planung und Einrichtung ihrer eigenen Wohnung schwer. Wie kann man diese Menschen als Architektin unterstützen?
Schuberth: 
Das fängt leider noch viel früher an! Ich sehe manchmal, wie die Möbel, die in der Online-Anzeige in den Wohnungsgrundriss eingezeichnet sind, kleiner skaliert sind, sodass die Wohnung am Plan größer wirkt, oder dass Kleiderschränke in Nischen vorgesehen sind, wo sich das aufgrund der nötigen Schranktiefe einfach nicht ausgeht.
Zoidl: Das passiert zum Glück nicht oft, aber leider immer wieder.
Schubert: Einem Laien fällt das am Plan oder bei der Besichtigung nicht auf. Da wird ein gewisses Unwissen ausgenützt, mich ärgert das wirklich sehr!
Stickler: Das lösen wir durch die mit angebotene Kooperation zur 3D-Einrichtungsplanung.

In der Immobilienwelt – ob Miete oder Kauf – hat die Bevölkerung in den letzten Jahren eine große Preissensibilität entwickelt und kann mittlerweile gut einschätzen, was etwas kostet. Wie schaut das bei der Inneneinrichtung aus?
Schuberth: Man kriegt im Internet ­mittlerweile eine Stehlampe um 9,90 Euro. Gleichzeitig kann man in einem Nobelgeschäft für eine Stehlampe auch schon mal 9000 Euro ausgeben. Der Markt ist so heterogen geworden, dass es mittlerweile für jedes Budget irgendwas gibt. In dieser Vielfalt ein gutes, differenziertes Gespür zu entwickeln, ist nicht leicht.
Zoidl: Viele Sonderwünsche sind mit technischen Umplanungen verbunden, viele Oberflächen und Möbeleinbauten wiederum brauchen gewisse planerische und handwerkliche Vorbereitung, über die ein durchschnittlicher Kunde nur wenig Bescheid weiß. Manchmal wünscht sich jemand, eine Wand wegzulassen oder das Bad um zwei Meter zu verschieben. Kaum jemand hat eine Idee davon, wie viele komplexe Konsequenzen so eine Entscheidung nach sich zieht. Da müssen wir beratend zur Seite stehen.

»Egal, welches Preissegment, welche Wohnform und welche Kundenschicht – die Wohnung ist immer Ausdruck der Persönlichkeit, daher muss sie einfach perfekt sein.«

Isabella Stickler, Alpenland

Isabella Stickler: »Unsere Kunden lassen sich gerne von der Mustermöblierung inspirieren und kaufen das eine oder andere Stück, aber niemals die ganze Einrichtung.

Auf Ihrer Website schreiben Sie: »Wir designen, entwerfen, planen und kreieren aus einer individuellen Idee und setzen den Plan mit Talent und Feingefühl nach unseren Kundenwünschen um.« Wie weit reicht dieser Service?
Zoidl:
Unendlich weit! Aber Spaß beiseite: Wir beraten und unterstützen, wo es geht, aber die Erfahrung zeigt, dass sich unsere Kunden bei Einrichtungen und Küchen­planungen die Hilfe, die sie benötigen, lieber bei ihren eigenen Architekten oder im Küchenstudio ihrer Wahl besorgen. Wo wir definitiv einen Beitrag leisten können, ist beim Erkennen neuer Trends und Bedürfnisse.

Zum Beispiel?
Zoidl: 
Es gibt eine steigende Nachfrage nach Kühlräumen fürs untertags gelieferte Gemüsekisterl. Bei den künftigen Projekten versuchen wir, solche Installationen bereits zu berücksichtigen. Bei einem unserer letzten Projekte haben wir auch versperrbare Fahrradboxen mit integriertem E-Anschluss realisiert.
Stickler: Kühlräume gibt es bei uns nicht, aber wir haben viele unserer Wohnhausanlagen bereits mit Paketboxen ausgestattet. Aktuell gibt es eine steigende Nachfrage nach E-Ladestationen. Zoidl Bei uns auch. Leider halten die städtischen Stromleitungen in einigen Straßen unserem Leistungsbedarf nicht stand.
Schuberth: Ein großes Thema bei unseren Projekten ist das Mitplanen des Gar­tens. Bei größeren und komplexeren Gartenan­lagen greifen wir daher auf professionelle Landschaftsplaner und Gärtner zurück.

Abschlussfrage: Wir haben heute über unterschiedliche Services und Dienstleistungen aus einer Hand gesprochen. Wo würden Sie sich beim Wohnen definitiv von niemandem ins Zeug pfuschen lassen?
Stickler:
Bei der Art und Weise, wie ich das Wohnen gestalte. Beim Einrichten und Ausstatten der Wohnung lasse ich ungern jemanden mitreden. Zoidl Bei Küche und Bad würde ich mich gern beraten lassen. Meine Grenze ziehe ich bei Möbeln, Stoffen und Farben. Schuberth Wenn ich mich mit meinem Architekten gut verstehe und ich ihn mag, dann darf er bei mir bis zum letzten Suppen­löffel alles machen.

»Der Markt ist so heterogen geworden, dass es mittlerweile für jedes Budget irgendwas gibt. In dieser Vielfalt ein gutes, differenziertes Gespür zu entwickeln, ist nicht leicht.«

Johanna Schuberth, Schuberth und Schuberth

Die LIVING-Salon-Gesprächspartner

Johanna Schuberth (42) studierte Architektur und gründete mit ihrem Bruder Gregor Schuberth 2005 das gemeinsame Architekturbüro. Das Tätigkeitsfeld reicht von klassischer Architektur über Innenraumgestaltung bis hin zu Möbeldesign. Zuletzt plante das Büro die neue Buwog-Zentrale in der Rathausstraße. schuberthundschuberth.at

Isabella Stickler (43) studierte Rechtswissenschaften und ist ausgebildete Immobilientreuhänderin. Seit 2006 arbeitet sie für den gemeinnützigen Bauträger Alpenland mit Sitz in St. Pölten. Seit 2019 ist sie Vorstandsmitglied. Zudem ist sie Vorsitzende von »Netzwert«, des Frauennetzwerks der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. alpenland.ag

Pamela Zoidl (46) studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre und arbeitete von 2001 bis 2013 als Vertriebsleiterin und International Account Manager in Sevilla. Heute ist sie Geschäftsführerin Vertrieb bei der Liv Immobilienvermarktung. Das Unternehmen ist unter anderem auf exklusive Immo­bilien­projekte in Wien spezialisiert. liv.at

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