Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren von Front Design © Lena Modigh

Kollektive Designteams: Einsam war gestern

Kollektives Arbeiten boomt, nicht zuletzt, weil der Geniebegriff nicht mehr zeitgemäß ist. Vier angesagte Designteams erzählen, warum sie lieber gemeinsam an kreativen Ideen tüfteln, als ihre Egos ins Zentrum zu stellen.

03.03.2022 - By Karin Cerny

Der Meister und sein Beiwagen. Walter Gropius, den legendären Bauhaus-Gründer, kennt jeder, er hat die Architektur und das Design der Moderne maßgeblich geprägt. Aber wer ist Bernhard Sturtzkopf? Der Assistent von Gropius war lange vergessen, erst in den letzten Jahren wurden seine klaren und funktionalen Warenhausentwürfe wiederentdeckt. Und anerkannt, wie wichtig sein Beitrag zur Bauhaus-Ästhetik gewesen ist.

Das exzentrische Genie erfindet alles im Alleingang. Große Egos verkaufen dieses Konzept gern. Dabei steht immer ein Team hinter ihnen, das kreativen Input leistet, aber oft nicht einmal Credits bekommt. Gerade eine jüngere Generation kann mit diesem Narzissmus wenig anfangen. Der Erfolg gibt ihr recht: Teamwork ist ein heißer Trend im Designbereich, auch weil gemeinsames Arbeiten ungewöhnlichere kreative Lösungen ermöglicht. Und für eine bessere Work-Life-Balance sorgt.

DESIGN-GIRLGROUP

Front Design, das schwedische Vorzeigeprojekt in Sachen weibliches Teamwork, kann das nur bestätigen. Die ursprünglich vier Designerinnen, die sich seit der Kunstschule kennen, wurden die spannendste Girlgroup der Designszene genannt. Mittlerweile sind Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren nur mehr zu zweit. Teamwork halten sie dennoch hoch, auch um kreative Prozesse in Gang zu setzen. »Gemeinsam entwickeln wir Ideen, die niemand im Alleingang erreichen könnte«, betonen die beiden. »Es macht einfach auch mehr Spaß, gemeinsam zu arbeiten. Und wir ergänzen uns in einer guten Art und Weise.« Während man allein oft in der ewig gleichen Suppe schwimmt, erfinden sich Teams mit jedem Auftrag neu, bleiben frisch und überraschend in ihren Entwürfen. Ein einheitlicher Stil ist überschätzt, wie der Erfolg von Front Design beweist.

»Die Ideen beginnen, ihr eigenes Leben zu führen, man muss ihnen nur mehr folgen. Am Ende überrascht das Ergebnis uns und gleichermaßen auch unsere Auftraggeber«, sagt auch Gernot Bohmann vom Designtrio EOOS, einem internationalen Aushängeschild aus Österreich. Martin Bergmann, Harald Gründl und Gernot Bohmann haben sich kennengelernt, als sie sich zur Aufnahme-prüfung für die Universität für angewandte Kunst in Wien angestellt haben. Nach dem Studium gründeten sie 1995 EOOS bewusst gegen den Zeittrend als -Kollektiv. »Grundsätzlich standen die 1990er-Jahre eher im Zeichen von Einzel-figuren. Man meinte, es gibt den genialen Designer, und der hat dann die genialen Ideen – eine etwas lächerliche Vorstellung, wie man heute weiß«, so Bohmann. Egoismus vernichtet alles, davon ist er überzeugt. Das Team gibt Halt. »Wenn einer schwach wird, muss der Zweite ziehen. Wenn zwei schwach werden, muss der Dritte durch-starten. Dass alle drei schwach sind, ist bei uns zum Glück noch nicht vorgekommen.«

KREATIVE PROZESSE

Viele haben es satt, Einzelkämpfer zu sein. Anstatt sich Konkurrenz zu machen, kann man doch an einem Strang ziehen. Das Berliner Projekt Matter of Course bündelt die Kraft von elf Designerinnen, die zwischen 33 und 56 Jahre alt sind. Sie kommen aus Deutschland, Kanada, Südafrika und der Schweiz und arbeiten selbstständig. Durch den Zusammenschluss erwarten sie sich mehr Sichtbarkeit, aber auch kreativen Input. »In der Zeit der Pandemie haben sich alle sehr zurückgezogen, Messen und Ausstellungen sind weggefallen. Es tut gut, sich jetzt wieder zu vernetzen, um sich gegenseitig Energie zu geben«, sagt die gefragte Berliner Textildesignerin Elisa Strozyk.

Die aufsteigenden Newcomer Hommés Studio aus Portugal, bestehend aus Micael Carvalho, Hélder Marques und Bruno Costa, sind alle um die 30 und wollen Handwerk, Design, Kunst und Mode vernetzen. Vergangenheit und Zukunft werden in ihren Entwürfen innovativ remixt. »Manchmal reicht es, gemeinsam eine Landschaft anzuschauen, und schon entsteht die Idee für ein Möbelstück«, sagt das kreative Trio. Schön, wenn man so gut eingespielt ist, dass gemeinsame Erlebnisse zu coolen Designobjekten werden.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 01/2022

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