Investmentvorschau 2023 - wohin entwickelt sich der Markt
Die Multikrisen des letzten Jahres haben – zumindest im niedrigen und mittleren Preissegment – zu Vorsicht und Verlangsamung bei Investitionen und Immobilientransaktionen geführt. Expert:innen sehen in der aktuellen Entwicklung nicht nur Schlechtes, sondern auch eine Chance zur Marktbereinigung und Professionalisierung.
22.12.2022 - By Wojciech Czaja
Andreas Millonig ist der Herr der Grundbücher. Es genügt ein Mausklick, schon hat er alle
Daten über sämtliche Transaktionen und Verbücherungen in ganz Österreich parat. »Wenn Sie in den letzten 15 Jahren eine Immobilie erworben oder verkauft haben, dann weiß ich das«, sagt Millonig, seines Zeichens Chief Operating Officer und Prokurist von IMMOunited. »Die Grundbuchs- und Kaufvertragsdaten sind in Österreich per Gesetz öffentlich und können von Leuten mit fachlichem Hintergrund jederzeit eingesehen werden. Neu ist lediglich, dass wir die Daten kumulieren und auf diese Weise Aussagen über die kurz- und langfristige Entwicklung auf dem Immobilien-finanzmarkt treffen können.«
In den ersten drei Quartalen 2022 wurden zwischen Bodensee und Pannonischer -Tiefebene demnach 110.400 Immobilientransaktionen getätigt. Das ist zwar deutlich weniger als zwischen Jänner und September des Vorjahres (121.700 Transaktionen), aber immer noch leicht über dem Durchschnitt der Prä-Pandemie-Jahre, als im Zeitraum Q1 bis Q3 zwischen 100.000 und 105.000 Transaktionen getätigt wurden. »In Anbetracht der gestiegenen Bau- und Energiekosten, der stark steigenden Zinsen und der per 1. August 2022 verschärften Vergaberegeln für Immobilienkredite gehe ich davon aus, dass die Zahl der Transaktionen im kommenden Jahr noch weiterhin fallen wird.«
Dem zuwider läuft die Entwicklung der Kaufpreise. Zwar hört man bereits von zum Teil eklatanten Preisabschlägen in deutschen A-Städten und auch in anderen Topmetropolen Europas, doch angesichts des nach wie vor boomenden Luxusimmobilienmarkts in Österreich ist in den absoluten Kaufpreisen immer noch ein Aufwärtstrend zu beobachten: Kostete der durchschnittliche Quadratmeter im Q2 2022 noch 4.807 Euro, so ist dieser im Q3 um 4,4 Prozent auf 5.019 Euro gestiegen. Berechnungsgrundlage dafür sind sämtliche Wohnimmobilien in ganz Österreich.
Katalysator Zinssteigerung
»Die verschärften Richtlinien in der Finanzierung und die Entwicklung in den Bau- und Energiepreisen haben auch einen Vorteil«, sagt Peter Ulm, CEO von Allora Immobilien, die auf Projekt-Developments jenseits der 10.000 Quadratmeter spezialisiert ist. »In den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich die Immobilie mehr und mehr zu einem Finanzprodukt entwickelt, nun ist sie wieder eine Immobilie, ein Objekt, ein Haus mit Wohnungen drin. Und das wird am Markt
im Laufe des kommenden Jahres zu einer Marktbereinigung und schließlich auch zu einer Preiskorrektur führen.« Die aktuelle Zinssteigerung sei weniger ein Problem als vielmehr ein Katalysator für eine gewisse Professionalisierung.
Bei der Strabag Real Estate (SRE) führte die Pandemie in einem Fall sogar zum Baustopp eines Hotelprojekts in Wien. Beim »Moxy« im Erdberger Mais wurden, nachdem Fundamente und Bodenplatte fertig betoniert und abgedichtet waren, die Baukräne wieder abgebaut, um ein Jahr lang abzuwarten, wie sich der Hospitality-Markt weiterentwickeln würde. »So etwas stimmt einen nachdenklich«, sagt Erwin Größ, Geschäftsführer der SRE und zugleich Bereichsleiter bei Mischek Bauträger. »Ich sehe am Markt nun eine stärkere Partnerschaft als zuvor, denn die aktuellen Preisexplosionen und Volatilitäten am Markt werden nicht auf das schwächste Glied in der Kette abgewälzt, sondern besprochen, verhandelt und partnerschaftlich gestemmt. Wir müssen neu denken, neu kalkulieren und das Thema Nachhaltigkeit völlig neu betrachten. Es kommen neue Zeiten auf uns zu.«