© Gaetan Gloochey

Investieren in der Schweiz - ein Überblick

Von der Ski-Noblesse in St. Moritz bis zur Steueroase am See, von Andermatt bis zur Agglo: Die Schweiz ist ein Immobilienparadies für jene, die es sich leisten können. Wer hier investieren will, muss auf viele Feinheiten achten. Wir haben im Schließfach der Schweizer ­Geheimnisse nachgeschaut.

04.01.2023 - By Maik Novotny

Ein Abend mit Zürcher Architekten im Herbst 2022. Alle haben lange Arbeitstage hinter sich. Man bekomme, klagt einer, keine Praktikanten mehr, dabei bräuchte man sie dringend. Doch es gibt so viel zu tun, dass die Praktikanten und Bewerber sich das Büro aussuchen können. Ein anderer erzählt, er müsse schon Aufträge an befreun-dete Büros abgeben. Konsens: Die Schweiz baut derzeit an allen Ecken und Enden.

NEUE SKYLINE

Zürich ist der beste Beweis dafür: Hier wachsen Kräne und Häuser in die Höhe. Rüttelte der 126 Meter hohe Prime Tower im Jahr 2011 die bislang brav horizontal vor sich hin bastelnde Stadt aus dem Schlaf, ist die Skyline heute nicht mehr wiederzuerkennen. Vor allem entlang der Infrastrukturachsen im Limmattal und Richtung Flughafen entstehen neue Quartiere und neue Hochhäuser wie der 80 Meter hohe Franklin Tower im Norden oder die neue SwissLife Arena im Westen. Die »zweite Stadt« der Schweiz, Basel, ist dank des wirtschaftlichen Ehrgeizes seiner Pharmagiganten schon längst zu einem Mini-Manhattan am Dreiländereck geworden.

Die Dynamik hat längst »die Agglo«, wie es die Schweizer das Siedlungsband zwischen Schaffhausen und Lausanne nennen, geflutet. Ein Beispiel von vielen: Am Rand von Luzern wird man von den Wohntürmen HochZwei neben der Swissporarena begrüßt, mit 88 Metern ist der Turm 1 das höchste reine Wohnhochhaus der Schweiz. Daneben wachsen in Horw und Mattenhof, früher kleine Vororte, neue Quartiere mit sechs- bis achtgeschoßigen Wohnblöcken neben der Bahntrasse empor.

Der Franklinturm neben dem modernisierten Bahnhof Oerlikon in Zürichs Norden wurde von SBB Immobilien entwickelt und 2022 fertiggestellt. 

GROSSE UNTERSCHIEDE

»Die letzten zehn Jahre waren anfänglich von einem starken Aufschwung mit deutlichen Preissteigerungen und einer anschließenden Stabilisierung auf hohem Niveau geprägt«, erklärt David Belart, Leiter des Geschäftsbereichs Asset Management & Development beim Zürcher Immobiliendienstleister Avobis Advisory AG. »Haupttreiber dieser Entwicklung waren ein anhaltendes Bevölkerungswachstum und im europäischen Vergleich sehr niedrige Zinsen. Die Preisunterschiede zwischen zentralen und peripheren Standorten können jedoch auch auf kleinem Raum relativ groß sein, entsprechend der födera-listischen Struktur der Schweiz. Die Städte weisen die höchsten Preise auf, doch auch vermeintlich ländliche Standorte sind teilweise verkehrstechnisch sehr gut angebunden und konnten sich im Zuge der Corona-Krise als Homeoffice-Standorte behaupten.«

Grundsätzlich, so Belart, sei eine Bewegung weg von den Zentren zu beobachten, die Dynamik der Siedlungsentwicklung verläuft vor allem entlang leistungsfähiger Bahnstrecken. Dies wird verstärkt durch die Schweizer Bundesbahnen, die als SBB Immobilien selbst proaktiv und professionell Grundstücke wie das neue Volta-Quartier in Basel oder das Bahnhofsareal in Zug verwerten.

Die Europaallee ist der Teil der Aufwertung des Zürcher Bahnhofs-umfelds. Weitere Projekte beiderseits der Gleise folgen seitdem.

FÖDERALE STRUKTUR

Blickt man genauer auf den Wohnbau, sind deutliche strukturelle Unterschiede zu Österreich erkennbar. Rund die Hälfte aller vermieteten Wohnungen sind in Privatbesitz, ein Drittel im Eigentum von institutionellen Anlegern wie Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen, Banken oder Anlagefonds. Die öffentliche Hand mit weniger als fünf Prozent und die Wohnbaugenossenschaften mit unter zehn Prozent nehmen dagegen nur bedingt am Markt teil.

»Der föderalistischen Struktur entsprechend sind in der Schweiz keine national herausragenden Großprojekte anzutreffen wie etwa die Seestadt Aspern in Wien«, so David Belart. »Jede Großstadt hier verfügt über ihre eigenen Schwerpunkte. In Basel beispielsweise ist es das Dreispitz-Areal, in Bern das Wankdorf-Quartier oder in Lausanne das Ecoquartier Plaines-du-Loup.«

Dabei ist es keineswegs so, dass der Bauboom in ungeregeltem Wildwuchs verläuft – ungeregelt ist in der ordentlichen Schweiz schließlich selten etwas. Die Raumplanung und Verwaltung wirkt zunehmend restriktiver bei neuen Baulandwidmungen, manche Gemeinden limitieren die Anzahl von Zweitwohnsitzen und »kalten Betten« oder schreiben einen Mindestanteil an leistbaren Wohnungen vor.

Wohnimmobilien am Ostufer des Zürichsees mit Panoramablick gehören zu den teuersten der Schweiz. engelvoelkers.com

GELD MACHT GASTFREUNDLICH

Gleichwohl führt die kantonale Autonomie auch zu »Ausreißern«, nicht zuletzt dank lokaler Steuervergünstigungen. Als steuerlich günstigste Kantone für Unternehmen gelten Nidwalden, Zug und Basel-Stadt, für Privatpersonen Zug, Schwyz und Nidwalden. Der ägyptische Investor Samih Onsi Sawiris wiederum, der mit seinem millionenschweren Tourismusprojekt Andermatt Swiss Alps für Schlagzeilen sorgte, grün-dete sein Unternehmen Andermatt Alpine Destination Company (AADC) nicht ohne Grund im Kanton Uri. Er wurde mit offenen Armen empfangen. Im Jahr 2013 wurde sein Fünf-Sterne-Hotel »The Chedi Andermatt« eröffnet, es folgten neue Skigebiete und Seilbahnen, eine Konzerthalle sowie Wohnhäuser mit insgesamt 420 Apartments, weitere Luxusvillen sind in Planung.

Dass die Schweiz nicht nur hier besonders gastfreundlich wird, wenn man Geld mitbringt, lässt sich am Umgang mit einem wichtigen Gesetz bemessen, der 1983 erlassenen Lex Koller. Diese wurde gegen die »Überfremdung des einheimischen Bodens« erlassen und verhindert, dass zu viel Wohnraum in die Hand reicher Ausländer gerät. Immer wieder im Schweizer Bundesrat heftig debattiert, ist die Lex Koller mit zahlreichen Schlupflöchern ausgestattet, die Ausnahmen von der Regel erlauben. Für das Großprojekt in Andermatt wurde 2007 die Lex Koller komplett ausgesetzt, im vorigen Jahr wurde diese Befreiung bis 2040 verlängert.

David Belart relativiert jedoch die Bedeutung der Steuererleichterungen: »Bei der Be-urteilung der generellen Standortattraktivität von Kantonen und Gemeinden sollte den Steuern keine allzu große Bedeutung beigemessen werden. Schließlich ist dies nur einer von vielen Standortfaktoren. Auch für gute Infrastruktur und Bildungs- und Kultur-angebot besteht Zahlungsbereitschaft.«

Basel profitiert nicht nur von der verkehrsgünstigen Lage am Dreiländereck, sondern auch von der mächtigen Pharmaindustrie und traditionell starkem Bürgertum.

STARKE NACHFRAGE

Wie sieht nun die Lage auf dem Markt derzeit aus? Schweizerisch stabil – jedoch mit Vorsichtswarnungen. Der UBS Swiss Real Estate Bubble Index, der das Risiko einer Immo-bilienblase auf dem Eigenheimmarkt misst, verzeichnet nur drei Gebiete, in denen sich die Eigenheimpreise vom Einkommensniveau abkoppeln: Genf, Basel-Stadt und die Zürcher Goldküste am östlichen Seeufer. Der Jahresbericht 2022 von Credit Suisse prophezeit, dass sich die Konjunktur, die sich vom Pandemie-Tief schnell erholt hat, weiter -positiv entwickelt, so die Autoren: »Bei Büroflächen etwa wird der Standort noch entscheidender, Mehrfamilienhäuser außerhalb der Zentren spüren Rückenwind, und Logistik-flächen sowie Datenzentren dürften weiterhin starke Wertzuwächse erfahren. Von einer anhaltend starken Nachfrage nach Betongold zeugen auch die im vergangenen Jahr äußerst umfassenden Kapitalmarkttransaktionen von Immobilienfonds und Immobilienaktien-gesellschaften«. Als Hauptstütze des Preiswachstums gelten dank ihres geringen Kapitalverlustrisikos die Mehrfamilienhäuser, bei Wohnrenditeliegenschaften rät die Credit Suisse dazu, die Grundrisse auf die Nachfrage gut abzustimmen, vor allem abseits der -Bestlagen. Bei Zinsanstiegen sei jedoch die klassische Kaufen-Halten-Strategie kein Renditegarant mehr. Möchte man in Schweizer Wohnungen investieren, empfiehlt die Bank einerseits Objekte in gut erschlossenen Gemeinden im suburbanen oder ländlichen Raum mit -möglichst großen, fürs Homeoffice geeig-neten Wohnungen und andererseits Micro-Apartments oder Co-Living-Anlagen in den größeren Städten.

Vor dem anstehenden Ende der Niedrigzinsen-Ära warnt auch Cyrill Lanz, CEO von Betterhomes. »Was unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten Entspannung verheißt, wird von Immobilienkäufern kritisch beobachtet. Denn bereits vor dem Entscheid der Schweizer Nationalbank verzeichneten die Zinsen für Festhypotheken einen teilweise deutlichen Anstieg. Gleichzeitig fielen in gewissen Regionen die Immobilienpreise. Aufgrund der sinkenden Preise sind regional spürbare Rückgänge der Nachfrage zu verzeichnen, vor allem in weniger guten Lagen.«

Wohl nirgendwo ist die Schweiz so mondän wie in Genf. Doch hier ruht man sich nicht auf dem Geld aus, es wird in Kanton und Umfeld viel gebaut.

Fazit

Einen grenzenlosen Boom darf man bei den Eidgenossen nicht erwarten – aber dafür helvetische Verlässlichkeit. Und für die Architekten wird es auch in Zukunft genug zu tun geben.

Hier trifft man sich auf dem Gipfel des Reichtums: St. Moritz ist der ideale Ort für Networking auf oberster Ebene.

Erschienen im Falstaff LIVING Residences 02/2022

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