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Iconomy: Design-Icons unter 100 mit Wilhelm Wagenfeld

Ach, was muss man oft von bösen Salz- und Pfefferstreuern lesen! Aber sicher nicht von diesen, welche Max und Moritz hießen. Denn die benehmen sich fast 70 Jahre nach Industrie­reife noch immer sehr manierlich bei Tisch.

23.07.2021 - By Manfred Gram

Warum ein dreiteiliges Set, bestehend aus einem Salzstreuer, einem Pfefferstreuer und einer schiffchenförmigen Schale, ausgerechnet »Max und Moritz« heißt, kann an dieser Stelle leider nicht beantwortet werden. Eine Vermutung wäre, dass Wilhelm Wagenfeld, der Designer, der dahinter steckt, seinem Namensvetter Wilhelm Busch die Reverenz erweisen wollte. Die gesalzenen pfeffrigen Streiche der beiden Lausbuben Max und Moritz haben es ja in sich. Vielleicht war es auch die figürliche Anmutung des Endresultats. Aber wie gesagt, es ist nicht eindeutig zu eruieren, was bei Wagenfeld in den 1950er-Jahren bei der Namensfindung den Ausschlag gegeben hat.

Was man allerdings schon weiß: Der deutsche Designer und Bauhaus-Schüler hat für die Württembergische Metallwarenfabrik, kurzum WMF, einen ebenso archetypischen wie ikonischen Gegenstand geschaffen, der ganz den »Form follows function«-Gesetzen gehorcht. Die Formensprache ist ausgewogen, einfach und klar, der Körper ist komplett aus Glas und mit einer Taille versehen. Sie liegen sozusagen gut in der Hand. Als effektives und innovatives Novum verzichtete Wagenfeld beim Deckel auf einen Schraubverschluss zu Gunsten eines Steckdeckels. Die waren in der Herstellung günstiger und sind auch noch leichter zu reinigen und zu handhaben. Eine Win-win-win-Situation, die ganz in Wagenfelds Denken passt, der davon überzeugt war, dass Dinge letztlich durch ihren Nutzen überzeugen sollen. Egal, ob
Lampe, Vase oder eben Salz-und Pfefferstreuer.

Die »WMF-Zwillinge«, wie Max und Moritz auch genannt werden, sind übrigens weitgehend ident. Aber wie bei allen (eineiigen) Zwillingspaaren muss man ganz genau hinschauen, um etwaige Differenzen zu erkennen. Bei Max und Moritz können geübte Augen einen Unterschied in der Dimensionierung der Lochung am Steckdeckel ausmachen. Die Löcher für Salz (oder doch Pfeffer?) sind größer. Wagenfeld kommt übrigens mit lediglich zwei Materialien aus – Glas und unverwüstlichem rostfreiem Edelstahl (Cromargan) – und überzeugt mit einem Entwurf, der modern, aber nicht zu modisch ist. Alles in seinem Gewürzschiffchen ist also auf Langlebigkeit ausgelegt. In einer Zeit, in der intensiv Verbundwerkstoffe und Plastik zum Einsatz kommen, wird der Deutsche so auch noch zu einem Vorreiter von nachhaltigem Denken. Fazit: Hier passt auch fast 70 Jahre später noch
alles – inklusive dem Preis.

Max und Moritz

Jahr: 1953
Design: Wilhelm Wagenfeld
Hersteller: WMF
Preis: 29,99 Euro

Wilhelm Wagenfeld

Wilhelm Wagenfeld zählt zu den wichtigsten Wegbereitern des modernen Industriedesigns. Der 1900 in Bremen geborene Wagenfeld war ein Bauhaus-Schüler und hat diese Gestaltungsprinzipien verinnerlicht. »Form follows function« war seine oberste Maxime, vor allem waren aber auch Demokratisierungstendenzen in Sachen Design seinem Denken nicht fremd.

Kaum verwunderlich also, dass zahlreiche Wagenfeld-Ideen zu Design-Klassikern avancierten. Etwa sein erster Entwurf, die mit Carl Jacob Jucker entworfene Bauhaus-Leuchte »WG24«, die sich bis heute verkauft. Oder eben die sehr clever durchdachten Salz- und Pfefferstreuer »Max und Moritz«.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2021

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