© Stelton

Iconomy: Design Icons unter 100 mit Erik Magnussen

Erik Magnussen dachte mit der »EM 77« die Thermoskanne weiter. Nicht (nur) unterwegs, sondern auch zu Hause sollten ­Kaffee und Tee länger warm bleiben. Resultat: ein hyggeliger Longseller.

06.11.2020 - By Manfred Gram

Hält man sich nicht sklavisch an Konzepte, ist es auch möglich, Erfolge zu landen. Mitunter sogar riesige. Anfangs muss man zwar ein wenig öfter diskutieren, um seine Vision durchziehen zu können, aber dann … Ein gutes Beispiel aus der De­sign­geschichte ist die Isolier- beziehungsweise Thermoskanne »EM 77«, die der Däne Erik Magnussen für Stelton kreiert hat. Ursprünglicher Auftrag war es, die berühmte Stelton-Reihe »Cylinda-Line«, die Designlegende Arne Jacobsen ein gutes Jahrzehnt zuvor ins Leben gerufen hatte, zu erweitern.

Aber Magnussen pfiff – mit gebührendem Respekt, versteht sich – auf die Vorgaben und Details, die Jacobsen der Große eingeführt hatte. Statt Edelstahl wurde Kunststoff verwendet, und der durfte, ja, musste bunt sein. Magnussen brachte also Farbe ins Spiel und auf den Tisch, und weil er einen Longseller kreiert hat, wird der Designklassiker jeden Frühling und Herbst in die aktuellen Trendfarben gehüllt. ­Das fördert den Absatz und weckt Sammlerbegierden – zumindest, wenn es nach den Marketingstrategen geht. Denn auch simples Weiß und Schwarz raubt der Kreation nichts von ihrer Eleganz.

Schlichte Klassik: Ein Klassiker aus dem Hause Stelton: die Thermoskanne »EM 77« von Erik Magnussen, die es für Freunde des direkten Weges auch als French Press gibt.

Produkt:
Isolierkanne »EM 77« 
Jahr: 1977
Design: Erik Magnussen
Hersteller: Stelton
Preis: 69,95 Euro

© Stelton

Der eigentliche Clou an der Kanne ist aber, dass bei ihrer Markteinführung Ende der 1970er-Jahre mit einer dänischen Tradition gebrochen wurde. Bis dato nahm man Isolier- und Thermoskannen vorwiegend zum ­Picknick, in die Arbeit und zum Fischen mit. Magnussens Kännchen jedoch war für den Haus­gebrauch gedacht. Am Früh­­­stücks­tisch, aber auch bei ­ausgedehnten Blätterteig- und Feingebäcksessions am Nachmittag sollte der schlanke Kunststoffzylinder gute Figur machen. Wenn man sich’s aus der »EM 77« eingießt, muss einem Schluck für Schluck ganz hyggelig ums Herz werden.

Erik Magnussen

Manchmal reicht ein großer Entwurf für Weltruhm. Bei Erik Magnussen (1940–2014) war es die Thermos­kanne »EM 77«, die der ausgebildete Keramiker für Stelton entwarf. Magnussen avancierte zum preis­gekrönten Industrie-Designer, der den Spagat schaffte, seine gestalteri­schen Ideen unglaublich leicht wirken zu lassen und dabei trotzdem mit Akribie, Detailver­sessenheit und Perfektionismus vorzugehen. Das machte den Dänen zu einem der ­einflussreichsten und wichtigsten skandinavischen Designer, dessen ­Expertise und Sicht der Dinge weltweit geschätzt wurden.

Das Eingießen funktioniert ­übrigens einwandfrei, denn die Kanne verfügt über einen sehr raffinierten Kippdeckel. Ab einem gewissen Neigungsgrad hebt sich dieser automatisch an, dadurch lassen sich Getränke einschenken, ohne dass der Deckel vorher gelöst werden muss. Auch der auffällig tiefe Sitz des Henkels ist kein Zufall.

Er erleichtert ein sorgen- und tropffreies Leben bei Tisch. Bleiben noch die zwei auffälligen schwarzen Punkte an der Kannenwand. Eigentlich dienen diese dazu, dass der Innenteil einfacher herausgenommen werden kann. Allerdings neigt der Mensch dazu, in Dingen vertraute Wesen und Gegenstände zu erkennen. Deswegen meinen nicht wenige, in den zwei schwarzen Punkten Augen zu erkennen, die der »EM 77« die Silhouette eines pfiffigen Vogels verleihen.

Gesehen bei:
stelton.com
​​​​​​​connox.at​​​​​​​

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 06/2020

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