© Naho Kubota

Immer öfter inszenieren Bäckereien ihre Ware als Luxusgut. Anspruchsvolle Architektur- und Interieur-Design-Konzepte machen Kund:innen das Shoppingvergnügen richtig schmackhaft. Manche Backshops führen in das Innere von Croissants, andere sind so stylish wie Kunstgalerien.

27.04.2022 - By Florentina Welley

Wer durch internationale Metropolen schlendert oder auf Shoppingtour unterwegs ist, entdeckt immer öfter zwischen schicken Luxusboutiquen oder in gentrifizierten Stadtvierteln Bäckereien, die nicht nur durch ihre außergewöhnliche Architektur hervorstechen, sondern ihr Brot auch so anbieten, als wäre es ein Luxusgut. Der Handwerksberuf erfährt heute nahezu dieselbe Wertschätzung wie handgefertigtes Design. Das Lifestylekonzept als Shopping-Philosophie, das das Einkaufen zum inszenierten Erlebnis macht, erfüllt sich etwa auch beim Besuch in der »Masa«-Bäckerei in Bogotá.

DER BROTLAIB ALS UNIKAT

Hier machten die Architekten Cadena die Welt des Brots erlebbar. Die Bakery im nördlichen Wohngebiet Santa Bibiana setzt mit einer -monolithischen Baustruktur die Architekturtradition Kolumbiens fort. Serviert werden in den offenen Räumen vegane und vegetarische Snacks. Wer seine Brötchen zwischen dreieckigen Fenstern, Terrazzoböden und Holzmöbeln genießt, blickt dabei auf eine Verkaufstheke aus Beton und ein Warendisplay aus hellen Lochplatten aus Holz. Dort wirkt jeder Brotlaib wie ein Unikat und macht die Wahl für Konsument:innen so schwer, als würden sie ein paar Schuhe kaufen. Auch das gehört zum Shoppingvergnügen dazu. Dieses Konzept verfolgt auch die Pariser Bäckerei »Liberté«, die Brotlaibe wie kostbare Skulpturen in helle Holzregale stellt. Designerin Emmanuelle Simon setzte auf heimelig französisches Flair mit bogenförmigen Nischen, Wänden in Sandtönen, runden -Deckenleuchten aus Schamotte-Ton und Milchglas sowie kantenlosen Holzmöbeln. Bei der Theke setzte Simon Raku-Fliesen ein. Die japanische Keramiktechnik arbeitet bei der Fliesenerzeugung mit Temperaturschocks, wodurch zufällig Risse entstehen, ähnlich denen von frischem, heißem Ofenbrot.

Nicht um Risse, sondern um das Innere eines Croissants geht es hingegen bei einem Shopkonzept in São Paulo. Hat sich schon je ein Croissant-Fan gewünscht, selbst im Inneren desselben zu sein? Im »Mintchi Croissant« in Pinheiros kann das ausprobiert werden, denn das Architekturbüro Dezembro Arquitetos wollte zeigen, wie es sich anfühlt, im Bauch eines Kipferls zu sein. Die Archi­tekten setzten bei Bodenbelag, Arbeitsplatte und Sitzbank perforierte Terrakotta-Steine ein und befüllten dann jedes Ziegelloch mit Zement als Hommage an Blätterteig. Zwischen die ­leichten Kartonröhren auf der Decke hängten sie Leuchtröhren aus Messing. Die Farbe des Metalls soll die der Croissants widerspiegeln.

Farbe spielt auch in Kyoto die Hauptrolle. Im »Bake« ist ein honigfarbenes Topfentörtchen das Signature Piece der Bäckerei. Die köstlichen Kuchen liegen seriell auf einer Theke, die das Design-Team Yusuke Seki mit einem Mauerwerk aus Tausenden schwarzen, weißen und grauen Legosteinen verkleidete, um damit bei Kund:innen Erinnerungen an die Kindheit wachzurufen. Vor zementfarbenen Wänden brachten sie ein rasterartiges Fachwerk aus hellem Holz an, das an die Bauweise traditioneller Teehäuser erinnern soll. Die Eigentümer der japanischen Single-Item-Kette setzten auch für ihr »Bake«-Outlet in Tokio auf ein Zusammenspiel von Architektur und Tartes.

Statt auf lange Theken kommen in China die Kuchen ins Schaufenster. Ein geheimnisvoller Eingang zieht die Kund:innen förmlich in die minimalistische »Patisserie Angelot« in ­Hangzhou. Das chinesische Studio Say Architects verkleidete die gebogene Fassade mit weißen Fliesen. Darin befinden sich zwei mit Marmor ausgekleidete Schaufenster, in denen die Kuchen präsentiert werden. Der Fußboden der Konditorei ist aus cremefarbenem Terrazzo, der Essbereich vermittelt mit weißen Polsterbänken, gebogenen Holzstühlen und Zitronenbäumen Frische. Dass Süßes aber auch künstlerische Konzepte verträgt, zeigt die Pastelería »Cara Mela«.

GALERIE-FEELING

»Hier schmecken nicht nur die Kuchen, sondern auch die Architektur«, steht in Insta-Kommentaren. Die Architekten Casa Antillón integrierten in ihr Konzept »­Systole und Diastole« im Madrider Stadtteil ­Chamberí traditionelle Keramikkunst und Color-Blocking in Grün-Weiß. Die Konditorei ist komplett mit Keramikfliesen ausgekleidet. Im vorderen weißen Raum begegnen sich Kund:innen an einer Theke aus Edelstahl. Der hintere grüne Raum dient als Gästelounge und wirkt mit den Metallmöbeln in unterschiedlichen Höhen und organischen Formen wie eine Pop-Art-Galerie.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 03/2022

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