© Marc Asekhame

Die Schweizerin Connie Hüsser bringt Chaos in cleane und sterile Interior-Welten. Die Liebe zum Detail und gute Intuition machten die Zürcherin zu einer der gefragtesten Stylistinnen in der Designbranche.

20.11.2021 - By Manfred Gram

Das VitraHaus im deutschen Weil am Rhein unweit der Schweizer und der französischen Grenze ist mit seinen ineinander verschachtelten Giebeldächern und riesigen Glasfronten ein architektonisch sehr auffälliges Gebäude. Die Stararchitekten von Herzog & de Meuron haben das Gebäude entworfen, das seit 2010 als Flagship-Store der Möbelmarke fungiert. Was man dort verstanden hat: Flagship-(Store-)Architektur braucht nicht nur außen, sondern auch innen die richtige Inszenierung. Schließlich soll bei den Besucherinnen und Besuchern beim Durchschlendern durchs Gebäude Begehren geweckt werden. Die Vitra’sche Produktpalette vom Lounge Chair bis zum Sofa, von der Lampe bis zum Couchtisch muss demnach perfekt zur Geltung kommen. 

Alltagsgeschichten

Und genau da beginnt die Arbeit der Schweizer Interior-Designerin Connie Hüsser. Gemeinsam mit Till Weber ist sie für das Gesamtkonzept im VitraHaus verantwortlich und hat dabei mit viel Liebe zum Detail die Räume kuratiert. Und zwar – und das gehört zum Konzept – auch mit »fremden« Entwürfen. Hüsser mischt Arbeiten anderer Designer und Labels in den Vitra-Kosmos. Quasi als Design-U-Boote. »Ich liebe es, mit Dingen Geschichten zu erzählen. Wichtig sind aber nicht nur die Storys, die man sieht, wenn man durch einen Raum geht, sondern auch jene, die hinter den einzelnen Produkten stehen«, erklärt Connie Hüsser ihren Ansatz und ergänzt: »Ich will bei den Menschen einen Jö-Effekt auslösen.« Also diese kleinen Momente unverfälschter, oft kindlicher Freude, wenn man eine Herzerfrischung entdeckt.  

So wie mit dem Putzschwamm »Leo«, ihrem ersten eigenen Design, das es ins Portfolio des dänischen Unternehmens Hay geschafft hat. Der rund gehäkelte Smiley aus Stahlwolle, der den Vornamen von Hüssers Vater trägt, bringt Hochglanz und Freude in die Bude. Man kann das Stück frohgemut als genialen Kitsch, der den Alltag schöner und bunter macht, verbuchen. 

Spätestens hier merkt man jetzt: Kuratorin und Stylistin als Berufsbeschreibung greifen zu kurz, wenn man das Schaffen der 54-jährigen Zürcherin erklären möchte. Vielmehr kreiert die ausgebildete Schaufensterdekorateurin Looks, setzt Trends, entwickelt Bildsprachen. Und das mit einem ungezwungenen, vor allem aber unverkennbaren Zugang. Wenn Hüsser Editorials für Zeitschriften macht, Möbel­kataloge konzipiert oder Räume inszeniert, durchbricht sie gewohnt Steriles und Erwartungshaltungen mit wohlüberlegtem und gut dosiertem Chaos. In ihren Arrangements kullern Schuhe, Plastiksackerl, Kleidung und allerhand Krimskrams herum. »Kein Mensch lebt wie im Möbelkatalog. Zu Hause liegt immer irgendwo was herum oder stapelt sich etwas«, so Hüsser, für die es also nahe­liegend war, genau derartige Alltagswelten zu inszenieren. Das war stilprägend. Und ein Glücksfall für die Designbranche, denn ­eigentlich wollte Hüsser Kfz-Mechanikerin werden. »Mein Vater hatte eine Autowerkstatt für Volvos. Aber in den frühen 1980er-Jahren kam so eine Berufswahl für Frauen nicht in Frage.« Die Liebe zu Volvos, Motoren und Öl ist übrigens geblieben. »Ich bin jeden Volvo gefahren, den es gibt«, erzählt Hüsser ungezwungen.

Teilen vermehrt Schönes

Obwohl Hüsser eher im Hintergrund und nicht an vorderster Designfront ­arbeitet – ihr oft spontanes und intuitives Schaffen blieb nicht unbemerkt. Vor zwei Jahren erhielt sie als erste Interior-Designerin den renommierten Grand Prix Design vom Schweizer Bundesamt für Kultur ­verliehen. 

Wohl auch, weil die Zürcherin als begnadete und leidenschaftliche Netzwerkerin gilt, die junge Designtalente fördert und ihnen eine Bühne gibt. »Ich liebe es, zu teilen. Und schöne Dinge teile ich umso lieber«, charakterisiert sich Hüsser, die also nicht viel von Design-Herrschaftswissen hält. 

Wie dieses Teilen in der Praxis aussieht, zeigt sie übrigens in ihrer Ausstellung »­Objects with Love«, mit der sie unter ­anderem bei der Design Miami und der Biennale Interieur in Kortrijk reüssierte. Dafür hat sie 46 Designstücke von der Vase bis zur Lampe zusammengetragen und auf einem Tisch arrangiert. Der Witz dabei: Von den Objekten geht eine liebevolle Energie aus, der man sich nur schwer ­entziehen kann. Ein Schnickschnacksog sozusagen, der ganz im Sinne von Connie Hüssers geordnetem Chaos ist.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 07/2021

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