Eleganz in Ecken und Kanten
Sicher keine Krankenhausmöbel – vielmehr sind sie Skulpturen, auf denen man sitzen kann. Die Bauhaus-Bewegung machte Stühle aus Stahl zu Stars in der Wohnung – und beeinflusst damit bis heute Designgenerationen. Zum Comeback eines kalten und harten Materials, das eine faszinierende Leichtigkeit hat.
16 . März 2023 - By Karin Cerny
Natürlich sollte ein Stuhl bequem sein. Aber den meisten Designer:innen ist es zu profan, über banale Dinge wie Funktionalität zu sprechen. Es geht um Emotionen, die transportiert werden. Ihre Möbel sollen Geschichten erzählen, einen Charakter haben. »Wir sind Erlebnisbauer: Wir schaffen Designs und Atmosphären, die erinnern. Wir kombinieren und mischen verschiedene Zeiträume«, sagen EmilianonSalci und Britt Moran, die Gründer von Dimorestudio, einem global agierenden Architektur- und Designstudio aus Mailand. Unter ihrem Label Dimoremilano werden auch Möbel- und Textildesigns selbst produziert.
GEFÜHL DER NOSTALGIE
Fachmagazine haben das Mailänder Designduo in ihre Listen der 100 besten Gestalter:innen für 2023 aufgenommen. Kein Wunder, steht Dimorestudio doch für eine opulente Ästhetik und einen kulturellen Eklektizismus, der raffiniert die Grenzen zwischen Historischem und Zeitgenössischem verwischt. Das Wort »dimore« bedeutet wohnen – und soll ein Gefühl der Nostalgie heraufbeschwören. »Wir verfolgen einen historischen Ansatz, um einem Projekt Wurzeln zu verleihen – und verpassen ihm dann ein zeitgenössisches Flair«, so Britt Moran. Dimorestudio entwirft Tische, Regale, Sofas und Stühle, die verspiegelt sind, mixt Stahl und Stoff, ist vom Stil irgendwo zwischen Art-déco-Referenz und Achtzigerjahre-Dekadenz: archaisch, elegant, aber auch humorvoll. Auf der Möbelmesse Salone del Mobile hat Dimorestudio im Vorjahr auch einen Stuhl aus poliertem Stahl und Korb-geflecht präsentiert. Die Designer liegen
damit im Trend: Stahlrohrmöbel feiern ein Comeback. Out waren sie ohnehin nie, weil sie in ihrem Minimalismus zeitlos sind. Sie sind It-Pieces mit skulpturaler Aura, lassen sich aber auch erstaunlich gut kombinieren, egal welche Epoche gerade gehypt wird. Sie passen zum aktuellen 1970er-Jahre-Revival ebenso wie zur 1980er-Ironie, die in den letzten Jahren angesagt war, auch in Art-déco-Interieurs machen sie eine gute Figur. Sie sind Hingucker, drängen sich aber nicht dramatisch in den Vordergrund. Sie sind funktional, aber trotzdem eigenwillig.