Die Zukunft des Schlafens
Wie sich guter und schlechter Schlaf auf den menschlichen Organismus auswirken, ist zwar schon sehr gut, aber noch lange nicht fertig erforscht. Vor allem ist man sicher, dass das Thema bald eine Dimension wie der Ernährungs- oder Fitnessmarkt erreichen wird. LIVING hat nachgefragt, was in den Betten so los ist, und wagt einen kleinen Blick in die Zukunft.
05 . Oktober 2022 - By Manfred Gram
Plattformen wie TikTok, Twitch und YouTube, also jene, wo sich die Influencer:innen herumtreiben, sind nicht selten Fundgruben fürs Absurde. Man muss dabei nicht immer alles verstehen. Sleep-Streamer zum Beispiel. Diese bizarre Gattung von Content-Creators filmt sich nämlich beim Schlafen und lädt das Ganze als Livestream hoch. Anderen Menschen zusehen, wie sie Morpheus, dem Gott des Schlafes, huldigen, kann auf den einen oder anderen durchaus beruhigend wirken, letztlich hat es aber nur begrenztes Fun-Potenzial. Was macht der findige Sleep-Streamer also? Genau, er lässt sich beim Schlafen aktiv von außen stören und immer wieder aufwecken. Etwa mit Bots, die über Lautsprecher Botschaften ins Schlafzimmer brüllen. Man kann den Schlafenden aber auch via Armbänder Stromstöße verpassen oder sie mit grellen Farben, bunten Bildern und lauter Musik irritieren. Mit dieser Art von Schlafstörung lassen sich übrigens durchaus erkleckliche Sümmchen lukrieren. 34.000 US-Dollar pro Monat verdient der australische TikToker Jakey Boehm auf diese Weise – liest man zumindest in der Tech-Bibel »Wired«. Aber wie gesagt: Man muss nicht alles verstehen. Vor allem weil Schlafprobleme stark zugenommen haben.
Die Zahlen dazu sind nicht gerade aufmunternd. Zwei Drittel der Erwachsenen in den Industrieländern bekommen weniger als die (von Schlafforscher:innen) empfohlenen acht Stunden Schlaf. Nur die Hälfte der Österreicher:innen gibt an, gut zu schlafen. Das kann und wird wohl mittelfristig zum Problem werden. Insbesondere, da man aus etlichen Jahrzehnten Schlafforschung weiß, dass 90 Prozent der körperlich-seelisch-geistigen Gesundheit von einem erholsamen Schlaf abhängen. Hat man also Schlafstörungen, wird’s gleich doppelt arg. Denn die können sowohl Ursache einer Reihe von Symptomen sein, aber auch Begleitsymptome. Etwa von Burn-out und Depressionen, aber auch Bluthochdruck, Diabetes, Stoffwechselerkrankungen oder Alzheimer. Die Palette hierzu ist riesig. Fix ist: Wer nicht gut schläft, hat wohl auf mehreren Gesundheitsfronten ein Problem.
Traumzukunft
Deswegen zuerst einmal eine grundlegende Frage. Wie soll man sein Schlafzimmer gestalten? Günther W. Amann-Jennson beschäftigt sich seit fast 40 Jahren mit dem Thema. »Es gibt nichts, was keinen Einfluss auf den Schlaf haben kann. Im Positiven wie im Negativen«, erklärt er und fährt fort: »Den größten Einfluss auf Schlaf-und Regenerationsqualität hat das Trio Schlafraum, Schlafplatz und Bettsystem.«
»Der gesunde Schlaf ist und bleibt die wichtigste und kraftvollste Medizin der Natur.« – Günther W. Amann-Jennson, Schlafpsychologe und Schlafcoach, samina.com
Allerdings ist die Thematik multikomplex, denn interne Schlafstörer wie Stress, Ernährung, Koffein, Vitaminmangel oder Alkohol beeinflussen den Schlaf ebenfalls negativ. »Der Fokus auf die Verbesserung der Schlaf- und Regenerationsqualität wird für gesundheitsorientierte Menschen zum größten Game-Changer aller Zeiten«, ist sich der Schlafcoach und Schlafexperte sicher. Denn jeder Mensch muss schlafen. Amann-Jennson hat dazu 28 Thesen formuliert und die Zukunft des Schlafes aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Aus gesundheitlichen und ökonomischen ebenso wie aus gesellschaftlichen. »Bereits in den nächsten fünf bis zehn Jahren ist davon auszugehen, dass der Schlaf-gesund-Markt die gleiche Dimension wie die Ernährungs- und Fitnessmärkte erreichen wird«, prophezeit Amann-Jennson etwa und formuliert noch weitere sehr hochinteressante Thesen. Etwa, dass Architekt:innen und Wohnraumplaner:innen beim Thema »gesünder schlafen« verstärkt einbezogen werden. Oder dass Biotechnologien, künstliche Intelligenz und die Digitalisierung zunehmend auch den Schlaf beherrschen werden. Schlaf bzw. Schlafqualität werden demnach künftig zu Hause, im eigenen Bett, gemessen. Zurzeit tut sich hier übrigens schon einiges, aber: »Aus wissenschaftlicher Sicht sind die aktuellen Tracking-Methoden rund um den Schlaf noch unbefriedigend. Der Korrelationsunterschied zwischen Schlaflabormessungen und Apps bzw. Trackern liegt zwischen 30 und 40 Prozent.«

In den Schlaf brettern Betten aus Massivholz sind auch in Zukunft ein Garant für gute Nächte. Schön, weil gleichzeitig auch grazil: das »Laria Maxi« vom Ökolabel. dormiente.com
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