© Courtesy Immofinanz

Die Zukunft des Büros: Wenn die Arbeitsgeister rufen

Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? In Zeiten von Corona nehmen viele Utopien aus den Sechzigerjahren konkrete Gestalt an. Ein Überblick über innovative Bürokonzepte zwischen geselligem Social Hub und luftisolierter Gummizelle.

12.04.2021 - By Wojciech Czaja

Sommer 1969. Während die einen gerade in Woodstock sind und sich die Blumen aus dem Leib tanzen, läutet am Flugfeld Aspern am äußersten Wiener Stadtrand das Telefon. »Hallo? Hier Hollein«, sagt der Herr, mit Stift und Zeichenbrett in einem aufblasbaren Zylinder am Boden sitzend, in der Hand den Hörer mit dem eingekringelten Kabel. »Ihr Haus ist fertig gezeichnet, ein ganz modernes Design.« 

Hans Holleins Büro-Utopie, die in einem 140 Sekunden langen Film dokumentiert ist, nimmt die Zukunft des Arbeitens in vielerlei Hinsicht vorweg. Nicht nur gibt sein Projekt Ausblick auf das mobile Teleworking, das in Zeiten von Wi-Fi, Laptop und Smartphone längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Auch prognostiziert der 2014 verstorbene Architekt jene Distanz- und Abschottungsgummizellenkultur, die sich mit dem Coronavirus ein Jahrhundert später als bittere Realität herausstellen sollte.  »Viele Leute spekulieren, wann wir wieder zur Normalität zurückfinden werden«, sagt Jens Kapitzky. Der 55-jährige Organisations- und Strategieberater leitet die Metaplan Leadership & Organization Academy in Quickborn bei Hamburg und beschäftigt sich mit der Implementierung innovativer Arbeitsmodelle in disruptiven Zeiten. »Aber wie wollen wir in Post-Corona-Zeiten überhaupt Normalität definieren? Corona hat die Art und Weise, wie wir wohnen, arbeiten und uns durch die Stadt bewegen, so radikal verändert, dass ich bezweifle, jemals wieder dorthin zurückkehren zu können, wo wir waren.« 

Die Definition einer neuen Normalität betreffe vor allem auch die Büroarchitektur. Einerseits hat sich das Großraumbüro mit zentraler Lüftung, großen Luftumwälzungen und wenigen Möglichkeiten zur räumlichen Distanzierung in Covid-Zeiten als unflexibel und unhygienisch herausgestellt, andererseits sind die Büros, wie wir sie bis zuletzt geplant haben, schlicht und einfach überdimensioniert. »Viele Arbeitsplätze sind ungenutzt, denn mehr und mehr Menschen arbeiten von zu Hause«, so Kapitzky. »Wir werden das physische Büro als Social Hub daher neu definieren müssen.« 

Wie dieses aussehen könnte, weiß Thomas Fundneider, Gründer und Geschäftsführer von theLivingCore mit Sitz in Wien. »Auch in Zukunft wird das reale Büro eine unverzichtbare Rolle spielen, und vielleicht wird ­es noch wichtiger sein als bisher, denn es braucht unbedingt einen Ort für Sozialisation, aber auch für das Aufsetzen und Konkretisieren von Visionen und Prozessen abseits des üblichen Homeoffice-Alltags. Online sind solche tiefgreifenden Core-Themen kaum abzubilden.« Wird das Büro schrumpfen? »Vielleicht minimal, aber nicht grundlegend«, so Fundneider. Die Anzahl an Schreibtischen und 08/15-Arbeitsplätzen werde mit Sicherheit stark zurückgehen. Schon jetzt prognostizieren Experten, dass viele Unternehmen ihre Büros mit einem Zwei-Drittel-Quotienten konzipieren werden. Das heißt: Für 100 Mitarbeiter werden nur noch 66 klassische Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. »Damit«, so der Experte, »gibt es dann endlich mehr Platz für anderes – für das Büro als Hub, als Homebase, als großzügige Plattform für den Teamgeist.« 

Ein Vermieter, der sich in den letzten Jahren und nicht zuletzt in den letzten Covid-Monaten stark mit dem Wandel des Arbeitens beschäftigt hat, ist die Immofinanz. Die Bürostandorte unter der Dachmarke myhive bieten den Mietern nicht nur flexible Mietmodelle, die im Monatsrhythmus Vergrößerung, Verkleinerung oder ­Kündigung ermöglichen, sondern nehmen vorweg, wie Corona das neue Arbeiten beeinflussen wird. »Die klassischen Arbeits­plätze werden aufgrund einer zunehmend etablierten Homeoffice-Kultur mehr und mehr verdrängt«, sagt Bernhard Klein, Head of International Brand Management bei der Immofinanz AG. »Dafür aber werden jene Office-Elemente an Bedeutung gewinnen, die punktuell und individuell auf die per­sönlichen Bedürfnisse eingehen.« 

In Zukunft, ist Klein überzeugt, wird das Büro aus Lobbys und Lounges bestehen, aus Orten der Begegnung und des sozialen Miteinanders, aber auch aus Focus-Rooms für Deep Work, vielleicht sogar akustisch abgeschottet in kleinen, verschließbaren Quiet Booths, sowie aus High-End-Konferenzräumen mit der neuesten elektronischen Infrastruktur. »Ja, Corona ist eine Krise«, so Klein, »aber auch ein Turbo-Boost für die Evolution des Büros.«

Die Zukunft von gestern

© Privatarchiv Hollein/Courtesy Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe an Museum Moderner Kunst Salzburg

Der österreichische Architekt Hans Hollein hat sich schon 1969 den Kopf darüber zerbrochen, wie wir eines Tages arbeiten werden. Seine Prognose – hier zu sehen in Form seines »Mobilen Büros« am Flugfeld Aspern – sollte sich als Volltreffer herausstellen.

Vom Büro zum Social Hub

© Courtesy Immofinanz

Unter der Dachmarke myhive betreibt die Immofinanz 23 Standorte in Österreich, Deutschland, Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien und der Slowakei. Der jüngste davon befindet sich in der Ungargasse in Wien. Die Besonderheit dabei: Den Mietern stehen unterschiedliche Arbeitsplätze mit öffentlichen Lounges und allerlei Services zur Verfügung – von der Putzerei bis zur Online-Yoga-Stunde. myhive-offices.com

Arbeiten gegen das Coronavirus

© Courtesy M Radwan Designs

Gemeinsam mit Architekten und Forschern der Arab Academy for Science and Technology in
Kairo hat der ägyptische Designer Mohamed M. Radwan diese kleinen Working Pods unter dem
Titel »Qworkntine« entwickelt. Wer konzentriert arbeiten möchte, kann sich dabei in diese akustisch und lüftungstechnisch isolierten Deep-Work-Kabinen zurückziehen – und sich darauf freuen, bald wieder die Glastüre aufklappen zu dürfen. mradwan.net, aast.edu

Soziale Nähe, physische Distanz

© OWIU/ADDP

Das OWIU Design Studio mit Sitz in Los Angeles hat sich damit befasst, wie in Pandemiezeiten Lobbys und Pausenräume aussehen können. Grundlage dafür ist der »Plan Libre« von Le Corbusier. Innerhalb eines offenen, flexiblen Layouts können auf diese Weise unterschiedliche Möbel und Nutzungen implementiert werden. Dank Weite, Höhe und Luft soll dem Virus das Leben schwer gemacht werden. owiu-design.com

Wenn der Apfel ein Würfel ist

© Courtesy of Livit

Die formale Sprache ist kein Zufall. Das spanische Designbüro Livit hat seine Arbeitszelle »Studypod« bewusst so gestaltet, als würde man sich in ein großes, würfeliges Apple iPhone 12 hineinsetzen. Ausgestattet mit minimalistischem Schreibtisch und der nötigen Office-Infrastruktur kann man auf diese Weise je nach Wunsch in Wald und Wiese arbeiten. Der Ausblick in die Natur, so die Designer, ist eine Art Zen-Moment. livit.no

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 02/2021

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/02