© Filippo Bamberghi

Die Nostalgie beflügelt unsere Gemüter, sie lässt uns in eine Welt abtauchen, die von Emotionen, Mut und Kreativität geprägt ist. Für die Mailänder Designerin J.J. Martin ist der Retro-Chic kein Trend, sondern eine Lovestory aus Überzeugung – erfolgreich umgesetzt mit ihrem Lifestyle-Brand La DoubleJ. Der LIVING-Talk über die Dos and Don’ts bei Table-Settings, stilvolles Dekor, spirituelle Inspirationsquellen sowie die magische Anziehungskraft von Mustern und Farben.

17.02.2022 - By Angelika Rosam

Sie ist das personifizierte Feuerwerk an Gefühlen. Dekoriert schrillste Farben zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk, bringt die Sonne auf den Tisch und hat dabei die größte Freude, ihren Kundinnen ein Lächeln auf die Lippen zu ­zaubern. Jennifer Jane Martin, kurz J.J. Martin genannt, gebürtige Californierin, doch in ­Mailand zu Hause, hat den aktuellen Trend um Vintage und Retro-Chic zu ihrem Lebensmotto erkoren. Und sie lebt gut damit. Als Gründerin ihres Liefesytle-Lables La DoubleJ mit dem Faible für fröhliche Print-Fashion und dem passenden Geschirr zum Glücklichsein. Der LIVING-Talk über extravagante Tischkultur, italienische Tafeletikette und darüber, warum man sich von Trends verabschieden sollte.

LiVING: Wir leben in unsicheren Zeiten und die Welt braucht Farbe und Zuversicht. Dafür sind Sie fraglos die richtige Adresse!
J.J. Martin: Unsere Botschaft war eigentlich immer die der Leichtigkeit und Freude. Bei
La DoubleJ geht es wirklich darum, tief durchzuatmen, sich zu entspannen und sein Glück zu entfalten. Und ja, es ist in der Tat ein guter Moment für Farbe. Farbe hat eine therapeutische Qualität und eine Energie, die die Menschen besser fühlen lässt und die Stimmung hebt. Ich erinnere mich, dass ich vor zwölf Jahren an einer Entgiftungskur in Österreich teilgenommen habe, eine der ersten, an der ich je teilgenommen habe, und dort gab es einen Farbtherapieraum, in dem man einfach nur den Farbwechsel an der Wand beobachten konnte. Das war unglaublich therapeutisch. Wir hoffen, dass unsere Muster und Drucke tatsächlich Menschen zum Lachen und ­Lächeln bringen können.

»Meine Theorie für La DoubleJ ist, das es verschiedene Stufen des Maximalismus gibt und man sich auf jeder Stufe beteiligen kann, auf der man sich wohl fühlt.«

J.J. Martin Gründerin von La DoubleJ

Wurden Ihre Entwürfe noch stärker nachgefragt, als wir aufgrund der Pandemie unsere Wohnungen und Häuser kaum verlassen durften?
Ja, wir haben während Covid definitiv einen Verkaufsanstieg für unsere Haushaltslinie erlebt. Wir hatten das große Glück, bereits eine umfangreiche und lebendige Kollektion von Haushaltswaren zu haben. Da wir sie vor mehr als fünf Jahren auf den Markt gebracht haben, konnten wir in diesem Bereich die Fahne in den Boden stecken. Ich glaube, dass die Menschen mehr Zeit denn je zu Hause verbringen, die Erfahrung der Tischkultur genießen und wieder Rituale rund um Mahlzeiten, um das Servieren und um das gemeinsame Essen schaffen. Das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen bei La DoubleJ, denn es ist etwas, das wir wirklich mit anderen Menschen teilen können.

Wie erleben Sie persönlich die Pandemie? Hat sie Ihren Arbeitsstil verändert?
Es gab Teile der Pandemie, die furchtbar und schrecklich waren, aber ich hatte auch eine unglaublich schöne, inspirierende und expansive Zeit. Das war ein Geschenk. Ich habe ­diese Zeit für meine eigene spirituelle Stärkung genutzt. Und diese Phase hat auch unsere Arbeitsweise verändert: Zoom-Anrufe sind jetzt die Norm. Obwohl ich schon immer viel gereist bin, kann ich trotzdem in dem Wissen arbeiten, dass alle unsere Teams aus der Ferne organisiert sind. Auch wenn wir uns immer noch persönlich mit Einkäufern und der ­Presse treffen, ist es noch sinnvoll, Verkaufskampagnen aus der Ferne zu veranstalten, da man so viel mehr von den Kollektionen zeigen kann und es effizienter ist.

Ihre Kreationen sind immer sehr Vintage-orientiert. Ein Trend, der dieses Jahr in der Innen­architektur sehr gefragt ist. Glauben Sie, dass diese Stilrichtung immer funktionieren wird?
Nun, ich mache dieses Business jetzt schon seit etwa 20 Jahren und ich hoffe, es wird noch anhalten. Ich denke, es wird immer Möglichkeiten für »Schnörkel« in der Innenarchitektur geben. Ich spreche als jemand, der keine ­einzige weiße Wand in seinem Haus hat, aber ich kenne viele Leute, die das sehr wohl haben und vielleicht nur ein bedrucktes Kissen oder eine bedruckte Serviette in ihrem Raum drapieren, um einen Hauch von Energie zu erzeugen. Meine Theorie für La DoubleJ ist, dass es verschiedene Stufen des Maximalismus gibt und man sich auf jeder Stufe beteiligen kann, auf der man sich wohl fühlt.

Warum so viel Farben und Muster? Was möchten Sie damit ausdrücken?
Ehrlich gesagt ist es eine Schwingung. Farbe ist eine visuelle Stimulation, die eine physische und emotionale Reaktion in meinem Körper hervorruft, und das mag ich daran.

Eigentlich sollte man meinen, dass New York ein sehr kreativer Ort für Designer ist. Und doch sind Sie nach Mailand ausgewandert. Wie ist das passiert?
Liebe! Das Klischee aller Auswanderer, die vor 2015 nach Italien gezogen sind.

Welche Frauen wollen Sie mit Ihren Kreationen erreichen?
Wir haben kein »Profil« für die Art von Frau im Kopf, die wir einkleiden wollen. Wenn wir entwerfen, denken wir immer: »Werde ich das tragen? Wird meine Redakteurin es tragen?« Meine Design-Direktorin könnte sich zum Beispiel für unser »Ionic Choux«-Kleid entscheiden, während mein Chief Brand Officer am liebsten einen unserer Bleistiftröcke mit einem klassischen weißen Button-down ­kombiniert. Jeder von uns hat einen anderen Geschmack, eine andere Körperform, eine andere Größe – es gibt nicht das eine Profil, das für alle passt. Die einzige Konstante ist jedoch, dass ich für eine Frau entwerfe, die von ihrer Einstellung her Spaß haben will, die ein wenig Auftrieb haben möchte und der es nichts ausmacht, etwas Aufmerksamkeit zu erregen, wenn sie in unseren Kleidern die Straße entlanggeht.

Können Sie mir die wichtigsten Regeln nennen, die einen kreativen Tisch ausmachen?
Eine gute Regel für einen schönen Tisch ist es, so viele Muster wie möglich zu mischen und zu kombinieren. Wir mixen unsere »Wildbird«-Dessertteller mit den »Rainbow«-Speisetellern, weiters mit einer »Botanical«-Serviette – und so weiter. Aber beachten Sie, dass es immer ein Gleichgewicht geben sollte. Wenn Sie ein bedrucktes »Cubi«-Platzset ­verwenden, würde ich keine bedruckte ­Tischdecke dazu kombinieren. Ich liebe es, die ­ganze Verrücktheit eines gemischten, ­bedruckten Settings auf einer sauberen, ­weißen Tischplatte zu inszenieren wie auf ­einer Leinwand.

Wie geht’s weiter?
Bringen Sie mit unseren regenbogenfarbenen Murano-Wein- oder -Wassergläsern eine ­kräftige Farbe ins Spiel. Sie können sowohl für den Aperitivo als auch für das Abendessen verwendet werden. Es ist wirklich schön, wenn Ihr Service eine Doppelfunktion haben kann. Ich liebe es, alte Gläser und Silberbesteck mit meinen neuen Gedecken und Gläsern zu ­mixen. Es geht nur darum, das zu kombinieren, was man zu Hause hat. Wenn Sie weiße Teller haben, stellen Sie einen bedruckten Suppen­teller oder Dessertteller dazu inklusive der alten Teller Ihrer Großmutter. Viele der Vintage-Services aus den 1930er- und 40er-Jahren waren ganz schlicht, vielleicht weiß mit einem goldenen Rand, der dann wunderbar mit einem unserer bedruckten Porzellanteller harmoniert.
Und schließlich die Blumen! Für den magischen Moment, wenn alle Gäste eintreffen, stelle ich gerne eine Menge Blumen in hohen Vasen auf den Tisch, damit es wie eine ­Blumenexplosion aussieht. Nehmen die Gäste Platz, stelle ich sie vom Tisch auf den Buffetwagen, auf dem das Essen serviert wird. Dann ersetze ich sie durch unsere kleinen Glas- oder Porzellanvasen mit Blumen mit kürzeren ­Stielen, die nicht die Sicht versperren.

Gibt es ein Tabu am Tisch?
Es gibt bestimmte Regeln, wenn es um die Tischetikette in Italien geht. Zum Beispiel ­sollten Sie besser keinen Parmigiano auf Ihre Meeresfrüchte-Pasta geben. Das ist ein No-Go. Und man sollte auf keinen Fall das gesamte Essen auf einen Teller geben, das ist sehr un­italienisch. Ich persönlich liebe es, gegen die Regeln zu verstoßen – echte Weinkenner ­würden zum Beispiel verlangen, dass Rotwein nur in klaren Gläsern serviert wird, aber ich verwende gerne unsere juwelenfarbenen »Salviati«-Gläser.

Und wie sieht es dann bei der Kulinarik aus?
In Italien ist es eine Kunst, das Essen zu empfangen – es kommt in Etappen und ist ziemlich dramatisch, wie eine Oper. Zuerst gibt es Antipasti mit unglaublichen Zucchini, dann ein Nudelgericht – manchmal sogar zwei –, dann ein Fleischgericht, dann Salat, Käse, ­Dessert und Kaffee runden das Spektakel ab. In Italien verbringt man viel Zeit am Tisch, während man sich in Amerika zum Tisch setzt und nach 20 Minuten wieder aufsteht. Trotzdem bin ich manchmal gerne ein wenig ­amerikanisch und bringe Abwechslung in die Gastgeberrolle – ich aktiviere meine Stereoanlage zwischen den Gängen, um im Speisesaal ein wenig zu tanzen. In dieser Hinsicht bin ich sehr informell.

»Ich mag nicht, wenn Leute ihre Wohnungen nur von Innenarchitekten einrichten lassen. Stecken Sie ein wenig Fleiß, Bauchgefühl und Herzblut in Ihre Umgebung. Sonst leben Sie an einem Ort, der nicht Ihre Seele widerspiegelt.«

J.J. Martin über Einrichtung

It’s all about the Details So wahr, dass es von J.J. Martin erfunden sein könnte. Verrückt und trotzdem harmonisch.

© Alberto Zanetti

Wohin geht die Reise im Jahr 2022? Was ist »in« und was ist »out«?
Ich folge eigentlich keinen Trends. Ich habe das Gefühl, dass man sich einfach nach dem richten muss, was sich in den eigenen Zellen zusammenbraut. Ich glaube nicht, dass man vorgeschrieben bekommen sollte, was man tun oder lassen soll – genau das würde ich zur Regel machen. Die häusliche Umgebung ist so persönlich. Es geht darum, sich selbst zu gefallen und eine Umgebung zu schaffen, die sehr liebevoll, pflegend, unterstützend und auch inspirierend ist. Ich selbst bin zum Beispiel von Pflanzen besessen, darunter ist ein zwei Tonnen schwerer Dschungelbaum, den ich in meine Mailänder Wohnung gestopft habe. Ich habe Pflanzen sogar in meine Dusche, in mein Bad gehängt. Sie sind überall, weil ich erkannt habe, wie wichtig das Grün ist. Ich liebe einen Mix aus verschiedenen Stilen, Epochen und Materialien. Ich habe zwar einige wirklich klassische Stücke im Regency-Stil in meiner Wohnung, aber ich sammle auch Mailänder Stücke aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und habe einige zeitgenössische italienische Pretiosen. Ich denke, dass diese ganze Idee, was »in« und was »out« ist, sehr aus dem 20. Jahrhundert kommt. Wir sollten das bei niemandem fördern. Sie sollten Ihren Raum zu einem Spiegelbild Ihrer eigenen Einzigartigkeit ­machen. Wenn ich etwas nicht mag, dann ist es, wenn Leute einfach die Räume anderer Leute kopieren oder die ganze Arbeit an ihren Innenarchitekten weitergeben. Stecken Sie ein wenig Fleiß, ein wenig Herzblut und etwas Bauchgefühl in Ihre eigene Umgebung. Sonst leben Sie an einem Ort, der nicht Ihre Seele und Ihren Geist widerspiegelt.

Inwieweit hat sich die Tischdekoration in den letzten Jahren verändert?
Ich kann nicht glauben, wie bunt die Tische geworden sind! Ich denke, dass wir von La DoubleJ etwas damit zu tun haben. Muster kommen auf viele Arten und in unterschied­lichem Ausmaß ins Haus. Der einfachste Weg für unsere Minimalisten, etwas Muster und Farbe ins Haus zu stecken, ist eine bedruckte Serviette oder ein bedrucktes Kissen: Sie sind ein Kinderspiel, eine einfache, narrensichere Methode, um Ihre Einrichtung aufzupeppen, ohne sich zu sehr zu engagieren oder das ­Gefühl zu haben, zu viele Fehler zu machen.

Wann ist ein Tisch Ihrer Meinung nach perfekt in Szene gesetzt?
Wenn ich mich nicht irritiert fühle. Denn das Gefühl der Irritation, das ich spüre, bedeutet, dass noch etwas fehlt, dass ich mich noch ­konstruktiv einbringen muss.

Haben Ihre Erfahrungen im Journalismus beim Aufbau Ihrer Marke geholfen? Das klappt nicht immer, bei Ihnen schon …
Einhundert Prozent. Ich habe damit begonnen, Geschichten über all diese unglaublichen Frauen zu erzählen, die ich in Mailand ge­troffen habe, und ich kannte viele von ihnen durch meine journalistische Karriere. Dabei habe ich gelernt, wie man Shootings produziert, wie man Stylist, Redakteur und Autor in einem ist. Das hat den Grundstein für dieses Unternehmen gelegt.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis als Unternehmerin?
Man muss mit dem Strom schwimmen. Ich meine, das mache ich nicht immer, aber wenn ich es mache, dann kommt alles von allein.
 

ladoublej.com

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