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Urban Jungle, New Scandi Chic, Art déco – 2020 wird ­in Sachen Interior und Design einiges auf die Spitze getrieben. Zentrale Rolle bei der Trend-Verwirklichung spielt der Facettenreichtum der Natur. Eine kleine Rundschau, was uns noch so erwartet.

03.12.2019 - By Manfred Gram

Das Jahr 2020 steht vor der Tür. Da ist man natürlich mehr als nur versucht, einen kleinen Blick in die Zukunft zu werfen. Obwohl – so viel Schlaumeierei sei an dieser Stelle gestattet – die 10er-Jahre noch nicht wirklich vorbei sind. In der Geschichtsschreibung hat man sich bekanntlich ja darauf geeinigt, neue Jahrzehnte mit einer 1 auf der Einerstelle beginnen zu lassen. Das heißt, die 20er-Jahre starten also erst offiziell am 1. Jänner 2021. Das Jahr 2020 ist somit in einem merkwür­digen Schwebezustand. Es gehört zwar zur alten Dekade, trägt aber schon das Neue in sich. So gesehen ist 2020 wie ein perfektes und fein abgestimmtes Vorzimmer: ein Raum, an dem bereits zu erkennen ist, wo­-hin die Reise im ganzen Haus gehen könnte.

Grün ist die Farbe der Natur und der Akustik und der per­fekte Kontrapunkt zu unserer lauten Welt. Die ›grüne Welle‹ ist nicht mehr aufzuhalten.

Claudia Schober Farb- und Stilexpertin

Grüne Welle

Und es gibt einige starke Indizien, dass man auf dieser Reise einer neuen Natürlichkeit auf die Spur kommt, die mit alten Öko-Klischees und Vorurteilen aufräumt und dafür mit modernem Facettenreichtum glänzt. Ein gutes Beispiel dafür liefern die Farbwelten, die im nächsten Jahr den Ton angeben werden. Dabei hat es vor allem das Neo-Mint der Designwelt angetan. »Als farblicher Allrounder hat dieses Grün durchaus Chancen, langfristig zum Grau-Ersatz zu werden, weil es sich mit zahlreichen anderen Farben sehr gut verträgt«, schwärmt die Wiener Farb- und Stilexpertin Claudia Schober. »Zudem hat Neo-Mint eine sehr entspannende Wirkung. Es lässt Räume größer wirken und erinnert an die Natur. Gleichzeitig schwingt aber auch ein Hauch Futurismus und Technik mit.« 

Eine Farbe mit Zukunftspotenzial also, die perfekt die kommende Gegenwart einfängt. Eine Gegenwart, in der man natürlich auch in andere Farbtöpfe greifen darf. »Mit Pastelltönen, Weiß- und Graunuancen wird eine sanfte Sachlichkeit betont, die mit Ruhe den Blick auf Wesentliches wie hochwertige Einrichtung und Statement Pieces freigibt«, erklärt Claudia Schober und ergänzt: »Auch eine gewisse geheimnisvolle und üppige Farbigkeit wird noch öfters zu sehen sein. Etwa tiefes Aquablau oder intensives Vulkanorange und Rot.« Letztlich ist die grüne Welle aber nicht mehr zu stoppen.

Trendgeber

»Ich verfolge Trends und Strömungen genau, letztlich ist die Designwelt aber zu vielfältig, um sie auf Tendenzen zu reduzieren.« Jörg Boner joergboner.ch

© Jan Kopetzky

»Einer der zentralen Begriffe bei Interior und Design ist Echtheit.« Sebastian Herkner sebastianherkner.com

© Gaby Gerster/laif/picturedesk.com

Welcome to the Jungle

Das führt einen auch der grassierende Trend, möglichst viel Natur in die eigenen vier Wände zu holen, vor Augen. Was vor nicht allzu langer Zeit mit Fauna- und Flora-Prints auf Textilien, Wandtapeten und Tableware startete, bewegt sich nun langsam in Richtung Höhepunkt – und zwar ziemlich lebendig. Unter »Urban Jungle« subsummiert man gerade eine neu entdeckte Liebe zur Botanik, die sich mitunter dadurch äußert, Lebensräume mit so vielen Zimmerpflanzen wie möglich zu bestücken. Und dabei ist nicht die Rede von Terrassen oder Wintergärten. Begrünt wird nämlich vom Wohn- bis zum Badezimmer so ziemlich jeder Raum, der zur Verfügung steht. Pop-up-Stores und Online-Plattformen, die seltene Sukkulenten oder ausgesprochen instagramtaugliche Zwiebelgewächse wie die lustige »Frizzle Sizzle« feilbieten, machen mit dendrophilen Hipstern gerade das Geschäft ihres Lebens. 

Diese überbordende Lust auf Pflanzen mag auf den ersten Blick vielleicht etwas übertrieben wirken, aber sie zeigt durchaus, dass Menschen mitunter wieder Spaß daran haben, sich Dingen intensiver zu widmen und dabei gerne in Kauf nehmen, übers Ziel hinauszuschießen. 

Art Déco Reloaded

So gesehen ist es auch wenig überraschend, dass uns demnächst ein Art-déco-Revival ins Haus steht. Mit luxuriösen Materialien, viel Freude an geometrischen Mustern und vor allem einer Extraportion Gold und Chrom lässt man sich ganz vom Pomp kuscheliger Dekadenz vereinnahmen. 

»Es ist immer schwierig, Trends und Strömungen für das kommende Jahr vorauszusagen, aber es wird wieder opulenter«, wagt Design-Star Sebastian Herkner einen kleinen Prognoseschritt in Richtung Zukunft. »In gewisser Weise wird sich vieles in eine eklektische Richtung entwickeln. Man mixt verschiedene Epochen und Stile und interpretiert diese dann neu. Mailänder Chic trifft auf französischen Stil und Mid-Century-Elemente«, bringt Herkner diese neue Sehnsucht nach mehr auf den Punkt und formuliert aber dazu die entscheidende Prämisse, damit der Mix nicht in der Postmoderne versumpft. »Es sollte alles Echtheit und Authentizität verströmen, denn Echtheit ist einer der zentralen Begriffe bei Interior und Design.«

Materialfrage

Und dabei spielt das Material eine entscheidende Rolle. Sei es Holz, Glas, Stein oder andere Naturmaterialien wie Korb, Rattan oder Jute – anspruchsvolle Kunden wollen heute wissen, wo die einzelnen Komponenten herkommen und unter welchen Bedingungen produziert wurde. Transparenz und Nachhaltigkeit sind zu einem entscheidenden Faktor geworden, den verantwortungsbewusste Designer schon lange mitdenken. »Es wäre aber zu kurz gedacht, Nachhaltigkeit einfach nur mit nachhaltigen Materialien realisieren zu wollen. Viel wichtiger scheint mir die Haltbarkeitsdauer eines Entwurfs. Es geht also vor allem darum, dass Design formal genügend Tiefe hat, auch nach ein paar Jahren noch interessant zu bleiben«, meint etwa der Schweizer Designer Jörg Boner zu diesem Thema. 

Letztlich wird also nicht nur mit Materialien kommuniziert, sondern auch mit Formen. »Und hier folgt vieles in nächster Zeit einer gewissen Natürlichkeit und den Gesetzen der Harmonie. Das zeigt sich einerseits darin, dass man klare Linien zieht, diese Strenge aber immer wieder mit Rundungen bricht. Das schafft zudem einen Eindruck zeitloser Eleganz«, analysiert Jörg Boner, dessen Bett »AIS«, eine Arbeit für den Schweizer Bettenhersteller Riposa, in dieser Hinsicht ebenso richtungsweisend ist.

In der Formensprache folgt man den Gesetzen der Harmonie und Natürlichkeit. Man zieht klare Linien und Grenzen, bricht diese Strenge aber mit Rundungen. So schafft man zeitlose Eleganz.

Vorsicht, frisch gestrichen!

Eine Formensprache, die man immer wieder auch in skandinavischen Designs erkennen kann, und das uns nicht nur deshalb auch in nächster Zeit begleiten wird. Nicht zuletzt auch deswegen, weil ein gewisses Qualitätsdenken und das Wahren des Gleichgewichts zwischen Leben, Wohnen und Umwelt ein zentraler Bestandteil skandinavischer Denkweise sind. Allerdings verpasst man auch dem klassischen Scandi Chic gerade einen frischen Anstrich, wenn man so will. Die neue Opulenz und der aufs Wesentliche re­duzierte, verschlankte nordische Stil mögen zwar per se zwei Gegenpole sein, aber ein Zuviel an Weiß, Grau und Schwarz wird eben auch irgendwann einmal ein bisschen fad. Deswegen wird auch hier in naher Zukunft mehr Farbe ins Spiel kommen. Es wird also bunter – im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und nicht zuletzt wohl auch im Vorraum.

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