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Die beeindruckendsten »hässlichen« Architekturbauten

Der Eiffelturm wurde einst als sinnlos und monströs verunglimpft, das Loos-Haus am Michaelerplatz als »Scheusal von einem Haus«. Warum wir es oft auch lieben, Architektur zu hassen: ein Für und Wider.

29.05.2020 - By Nicola Afchar-Negad

Er wolle für Bundesgebäude mehr klassische Architektur und keinen Brutalismus, gab US-Präsident Donald Trump Anfang des Jahres bekannt. »Make architecture beautiful again« wurde getitelt. Schönheit, Hässlichkeit – kaum etwas wird so kontrovers und leidenschaftlich diskutiert. Das Internet ist voll von Listen mit den hässlichsten Gebäuden der Welt, in Großbritannien wird sogar jedes Jahr der »Carbuncle Cup« ausge-rufen, der das misslungenste Gebäude auf der Insel rühmt – oder besser gesagt abstraft. Und auch ohne großes Tamtam kennt jeder und jede den »Echt jetzt? Meinen die Architekten das ernst?«-Gedanken beim Anblick manch eines Gebäudes. »Architektur ist die einzige kreative Schaffensweise, auf die jeder Wert legt«, erklärt etwa auch Eugene Quinn, der die »Vienna Ugly«-Tours ins Leben gerufen hat. Quinn zeigt den Menschen die »salzige Seite Wiens«, wie er sagt, die süße sei ja hinlänglich bekannt. Die Tourstopps ändern sich immer wieder, und das ist auch nur logisch. Denn »schön« und »hässlich« liegt nicht nur im Auge des Betrachters, sondern ändert sich im Laufe der Zeit. Moderne Gebäude haben es oft per se schwierig, historische werden gerne glorifiziert. »Die Menschen mögen keine Veränderung. Veränderung wird als störend empfunden«, so Quinn. Und hier liegt die Krux an der Sache. Denn Architektur reagiert auf geänderte Lebensbedingungen – und formt unseren Alltag gleichzeitig. Quinn: »Architektur zeigt uns, wo wir stehen. Ein Gefühl für den Ort ist unerlässlich.« Unsere Städte sollen nicht uniform wirken, aber die »Starchitekten«, die sich selbst verwirklichen, werden auch nicht gerne gesehen. Wobei – ein wichtiger Input von Quinn: »Architekten sind oft weniger das Problem als Projektentwickler.« Hans Hollein, Peter Czer-nin und Edmund von Hellmer sind bekannte Namen, die auf den »Ugly«-Tours schon Thema waren – wer nicht vorkam, ist Adolf Loos, dessen 150. Geburtstag heuer groß zelebriert werden soll. Sein Haus am Michaelerplatz mag heute frei von Kritik sein, anno dazumal wurde es aber als »Gassenbubenstückchen der Architektur« und »Ohrfeige für die Umgebung« geschmäht. »Alles Neue wurde und wird von den Wienern grundsätzlich kritisiert. Die Aufregung hat sich aber bald gelegt, und Loos wurde mit diesem Haus schlagartig bekannt«, erklärt Timo Riess vom Verein »Architektur-erbe Österreich«. Loos war eine »komplexe und scheinbar widersprüchliche Persönlichkeit«, ein »Wegbereiter der Moderne«.

Im Jubiläumsjahr möchte der Verein bekannte, aber auch verborgene Loos-Bauten und Interieurs erstmals der Öffentlichkeit zugänglich machen. LIVING fragt natürlich auch Riess, wann ein Gebäude für ihn denn hässlich oder misslungen ist: »Wenn ein Gebäude seinen Zweck nicht erfüllt und die Bewohner unglücklich sind, dann ist wohl etwas schiefgelaufen. Leider beschränkt sich der Begriff Architektur für viele Menschen auf das Exterieur eines Gebäudes, die wichtigen Innenräume sowie deren Nutzung werden nicht beachtet.« Riess ist es auch, der einen weiteren interessanten Gedanken einbringt: »Jedes Gebäude erzählt eine Geschichte. Bei manchen Bauten ist es eine sehr kurze. Je länger die Geschichte, umso interessanter wird es.«

Wie subjektiv Schönheit wahrgenommen wird, zeigt das Beispiel der Wiener Müllverbrennungsanlage Spittelau. Während Riess die Faszination um die Bauten von Friedensreich Hundertwasser nicht nachvollziehen kann, ist Quinn begeistert. »Ich liebe alles von Hundertwasser. Die Spittelau finde ich verspielt, psychedelisch, kindlich, spaßig. Ein bisschen wie Disneyland. Vielleicht ist das das Problem vieler Wiener. Die Architektur ist ihnen nicht ernsthaft genug.« Dass eben alles zwei Seiten hat, zeigt auch ein letzter Denkanstoß von Quinn: »Menschen können gleichzeitig schön und hässlich sein, denken sie nur an Mick Jagger. Für Gebäude gilt das genauso.«

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Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 03/2020

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