© Riedel Glas

Er ist der Herr der Weingläser in elfter Generation. Für Maximilian Riedel sind Gläser Werkzeuge des Trinkgenusses, verbinden Funktionalismus mit Sinnlichkeit. Im LIVING-Talk spricht er anlässlich des 265-Jahre-Jubiläums über die Geheimnisse des Weinglasdesigns und die Unverzichtbarkeit von Instagram.

22.11.2021 - By Maik Novotny

Der Name ist schon fast zum Synonym für hochkarätige Gläser geworden: Die Firma Riedel ist seit 1756 im Geschäft, zuerst in Böhmen, seit den 1950er-Jahren in Tirol. Die Geschichte der Dynastie ist eine wahre Ahnengalerie der Innovationen: Patente, Erfindungen, kleine Revolutionen. Claus Josef Riedel gilt als »Vater des modernen Weinglases«, sein Sohn Georg Riedel als Erfinder der rebsortenspezifischen Weingläser. Dessen Sohn Maximilian Riedel wiederum übernahm 2013 in der elften Generation das Ruder. 2004 entwarf er die Serie »O«, Weingläser ohne Stiel, die zur erfolgreichsten neuen Kollektion in der Geschichte von Riedel werden sollten, und designte mit »Riedel Cornetto« den ersten frei geformten Dekanter. Nicht nur das, er brachte die altehrwürdige Firma auch auf die Bühne der Social Media – sowohl Riedel als auch er selbst bespielen erfolgreiche Instagram-Channels.

Anlässlich des 265-jährigen Jubiläums bat Maximilian Riedel im Wiener »Ritz-Carlton« zur Audienz und parlierte im LIVING-Interview über Familienwerte, »form follows function«, die Architektur des Weinglases und die Balance zwischen Handwerk und Maschinen.

FALSTAFF LIVING  Die Firma Riedel feiert dieses Jahr ihr 265-jähriges Jubiläum. Ist das nicht eine etwas ungewöhnliche Zahl für eine große Feier?

Maximilian Riedel Keineswegs! Die Fünf war schon immer meine Glückszahl, und alles, was auf fünf endet, ist ein Grund zum Feiern.

Wenn man die Zeitleiste der Riedel-Dynastie betrachtet, hat jeder Firmenchef eine neue Idee oder eine neue Art der Glasherstellung ins Spiel gebracht. Steht man da als Riedel-Erbe unter besonderem Innovationsdruck?

Ich bin in diese Favmilie hineingeboren und habe das nie als Druck empfunden. Die Riedels haben immer das Glück gehabt, mit der Zeit, in der sie leben, umgehen zu können. Das zeichnet den Erfolg aus. Man kann aus dieser reichhaltigen Vergangenheit sehr viel lernen und profitiert davon. Ich kann beispielsweise in eine neue Glasserie investieren, weil die Kunden das Vertrauen in unsere Langlebigkeit haben.

Im Riedel-Sortiment finden sich nicht nur Weingläser, sondern auch Longdrink- und Gin-Gläser und viele andere. Wie balanciert man Kerngeschäft und Experiment?

Tradition, das ist bei uns die Familie, der Zusammenhalt, das Wissen. Die Produkte haben mit Tradition gar nichts zu tun. Die sind 100 Prozent Innovation. Ich bin zu modern, um an etwas festzuhalten, das nicht mehr funktioniert, und ich bin der Erste, der sich von einem Produkt verabschiedet, wenn es sich nicht mehr verkauft.

Ihr Vater, Georg Josef Riedel, hat Ihnen 2013 die Firmengeschäfte übergeben, ist aber immer noch sehr aktiv. Wie teilen Sie sich das auf?

Der junge Mann ist 72 und geht jeden Tag in der Früh auf den Berg und sprüht vor Ideen! Aber ins Tagesgeschäft mischt er sich nicht mehr ein. Wir funktionieren als Familie sehr gut, und das ist ein großes Glück. Denn der Erfolg eines Familienunternehmens liegt im Zusammenhalt. Viele andere zerbrechen, weil das Vertrauen ineinander verloren geht. Das haben wir immer vermieden.

Eine Neuerung, die Sie ins Spiel gebracht haben, sind die sozialen Medien. Sie sind begeisterter Instagrammer mit über 150.000 Followern. Woher kommt die ­Faszination?

Ich bin ein riesiger Fan der sozialen Medien! Als ich mein Haus in der Nähe von Kitzbühel plante, habe ich fast alle Ideen dafür aus den sozialen Medien geholt, bis hin zum Wasserhahn und den Lampen. Und da bin ich sicher nicht der Einzige. Wenn Leute ein Glas ­suchen, schauen sie auf Instagram nach. Wir erreichen dadurch ganz neue Kundengruppen. Für uns ist inzwischen der Webshop das wichtigste Verkaufsinstrument geworden – vor fünf Jahren war das noch ein Hobby.

Im Webshop findet sich auch die schöne Beschreibung der »Architektur des Wein­glases«. Wie viel Design und Architektur stecken in einem Glas?

Sehr viel! Ein Weinglas ist technisches Design. »Form follows function«, wie im Bauhaus.
Das war aber nicht immer so – das haben wir ­meinem Großvater Claus Josef Riedel zu verdanken. Denn in den 50er- und 60er-Jahren dominierte das Porzellan den gedeckten Tisch. Das Glas musste sich unterordnen. Aber mein Großvater merkte in den 70er-Jahren, dass sich da etwas ändert, dass sich die Leute von dieser Welt der schweren gedeckten Tische und der Hochzeitslisten entfernen. Und was bleibt dann übrig, wenn man all das weglässt? Das Weinglas. Er hat damals die Serie »­Sommeliers« ins Leben gerufen, um die ­Weingenießer zu honorieren. Und er hat die Urform des Eies mit dem Glas vereinigt, was bis dahin niemand geschafft hatte. 

Wie erkennt man die Designqualität eines Weinglases?

Zum einen an der Bodenplatte. Je kleiner die Bodenplatte, desto günstiger ist das Glas, denn je größer die Platte, desto länger dauert der Prozess. Dann der Rand: Dort sieht man, ob das Glas schnell oder sorgfältig hergestellt wurde. Ein dicker Rollrand ist das schlechteste, was es gibt, denn er stoppt die natürliche Bewegung der Aromen zum Gaumen. Wir bei ­Riedel haben Methoden entwickelt, wie man den Rollrand vermeidet. Ich bezeichne meine Gläser als Werkzeuge des Trinkgenusses. Sie sind wie die Bühne für den Schauspieler.

Inwiefern ist man von Moden bei Wein­sorten abhängig? Muss das Design des Glases darauf reagieren?

Gott sei Dank nicht. Es gibt wenig neue Rebsorten auf dem Markt und wenige, die man aus der Vergessenheit zurückholt. Auf einen Trend wie Orange Wine sind wir nicht aufgesprungen, obwohl uns viele dazu aufgefordert haben. Was sich aber verändert hat, ist die globale Erwärmung. Die Weine sind dadurch »größer« geworden, weil sie mehr Alkohol­gehalt haben, dadurch ist auch das Volumen der Gläser signifikant mitgewachsen.

Wie viel Spielraum hat man beim Weinglas fürs Design?

Wir haben 13 Kollektionen, und wenn ich ein neues kreiere, orientiere ich mich an den bisherigen. Es ist eine genaue Abstimmung zwischen Frucht, Säure, Mineralität und ­Alkohol. Die Entwicklung passiert ausschließlich innerhalb der Familie, wir haben keine externen Designer. Mein Großvater hat mit Joe Colombo ein Glas kreiert, das im MoMA steht, aber das hat mit unserer heutigen ­Philosophie nichts zu tun. Wenn es um das funktionelle Weinglas geht, bleibt alles in der Familie. Die Einzigen, die mitreden dürfen, sind die Winzer, die für die jeweilige Traube zuständig sind. Das sind die wichtigsten Partner für uns, wenn es ums Feintuning geht.

Riedel verkauft seine Gläser rund um den Globus. Welche internationalen Unterschiede gibt es da seitens der Kunden?

Ich bin heute aufgewacht und habe mir genau diese Frage gestellt. Die Unterschiede sind enorm. Zwischen USA und Kanada, innerhalb Europas, zwischen China und Japan, da sind Welten. Amerikaner wollen es einfach und billig. Europäer haben eine Glaskultur, aber bevorzugen maschinell hergestellte ­Gläser. Asiaten dagegen wollen das Handgemachte, das handwerklich Raffinierte, Extravagante. Für Japan haben wir die ­Riedel-Serie »Sommeliers Black Tie Haku« mit Blattgold entwickelt, die würde nirgendwo anders funktionieren.

Sie sind noch jung, wie wird es nach der 265-Jahre-Feier weitergehen? Gibt es Ziele fürs 300-jährige Jubiläum?

Ich bin zwar jung, aber schon sehr lange dabei. Ich war lange Zeit immer der Jüngste bei allen Veranstaltungen. Das hat mich gestört, aber ich habe mich positioniert, und heute bin ich nicht mehr der Jüngste. Ich hoffe, dass die jüngere Generation nachkommt, weil ich mich gerne mehr auf die Details konzentrieren möchte. Beim 300er werden wir aber sicher die Korken knallen lassen.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 07/2021

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