© Nina Helena

Zwischen Nachhaltigkeit, skulpturaler Freiheit und virtueller Welt: Das Design des vergangenen Jahrzehnts war verspielt, verantwortungsbewusst und aufgrund Sozialer Medien demokratischer als jemals zu vor.

30.04.2023 - By Karin Cerny

Design ist, was gut aussieht. Wer in einem der unzähligen Hipster-Hotels übernachtet hat, die in den letzten zehn Jahren aus dem Boden gewachsen sind, weiß allerdings auch, dass die pure Oberfläche ziemlich unbequem sein kann. Nicht alles, was auf den Sozialen Medien schick aussieht, hält in echt, was es verspricht. Trotzdem hat die vergangene Dekade massiv verändert, wie wir Design wahrnehmen. Es ist so demokratisch geworden wie nie zuvor: Wie Mode und Musik ist auch Design mittlerweile ein Stück Popkultur. Blogs, Instagram- und TikTok-Accounts fungieren als niedrigschwellige Archive.

IT-ENTWÜRFE

In den frühen 2010er-Jahren kam der Begriff Hygge auf, das dänische Konzept des Cocooning setzte auf Skandi-Chic. Pflanzen waren angesagt, von Individualität war die Rede. Aber stattdessen bestimmten oft Algorithmen, was It-Farben waren (das Millennial Pink von 2016), It Pflanzen (Monstera) und It-Pieces: Das »Togo«-Sofa etwa, das in keinem Influencer:innen Wohnzimmer fehlen durfte. Gleichzeitig stellte sich nach der globalen Finanzkrise verstärkt die Frage, ob grenzen-loser Konsum tatsächlich die Antwort auf alles sein kann: Nachhaltigkeit wurde zu einem Megatrend, sei es, Plastik zu recyceln oder neue, ungewöhnliche Materialen wie Seegras oder Pilzmyzel, ein Netzwerk aus Fasern, auf denen Pilze wachsen, zu entdecken. 

NEUER EKLEKTIZISM

Nach dem anfänglichen Minimalismus der 2010er-Jahre machte sich ein neuer Eklektizismus breit – es ging darum, Vintage und neue Trends lässig zu verbinden, High und Low zu mixen. Die Mode hat es vorgemacht, da waren sich die renommiertesten Designer:innen nicht zu schade, für Fast-Fashion-Giganten wie H&M zu entwerfen. Spartenübergreifende Kooperationen waren das große Business der letzten zehn Jahre. Limited Editions kurbelten auch im Design den Markt an. Der Modemacher Virgil Abloh entwarf da gehypte Stühle und Teppiche für Ikea. Architekt:innen wie Zaha Hadid brachten eine skulpturale Formensprache ins Design, kreierten Möbelgewächse aus Metall, zugleich organisch und futuristisch, aber am Computer entstanden. Es war ein spielerisches, experimentelles Jahrzehnt, das auch den 3D-Druck als wichtiges Tool entdeckte, um innovatives, aber auch schräges Design zu entwickeln. Ab 2019 zeigten die großen Kunstmessen verstärkt Werke von afrikanischen und afroamerikanischen Maler:innen, der in Ghana geborene Amoako Boafo sorgte mit seinen Porträts für einen Boom. Auch im Design  weitete sich der Blick, der lange auf den Westen fixiert gewesen war: Seien es die Design-Objekte des südafrikanischen Künstlers Atang Tshikare oder die Entwürfe von Kossi Aguessy – der in Togo geboren wurde, in New York aufwuchs, in London studierte und in Paris arbeitete. Er bewies, dass Designer:innen aus Afrika globale Trends aufnehmen und mit afrikanischer Tradition verbinden. Seine Designs sind auch in Museen gefragt. 

REAL, ODER IM METAVERSE?

Ist es Design oder Kunst? Die starren Grenzen begannen sich aufzulösen. Die Pandemie lenkte den Blick auf die eigenen vier Wände, die flexibler wurden. Der Küchentisch agierte tagsüber als Arbeitsfläche. Warum soll im Bad kein Lesesessel stehen? Runde Formen passten perfekt zur neuen Behaglichkeit, jeder Raum wurde zur Rückzugsoase. Man leistete sich besondere Stücke, die ruhig ausgefallen sein durften. DIY-Keramik war angesagt, Design, dem man seine Entstehung ansehen durfte. Verrückte Entwürfe, die gar nicht für die reale Welt gedacht waren, landeten dann trotzdem auf Möbelmessen. Bestes Beispiel dafür ist der Argentinier Andrés Reisinger, der Shooting-Star unter den Metaverse-Designern. Seine verträumten digitalen Wohnungen und Stühle schienen organisch gewachsen zu sein. Sie waren futuristisch, aber irgendwie auch kuschelig. Sie sind wie gemacht, für eine unsichere Zukunft, in der sich viel in der digitalen Welt abspielt, aber man trotzdem in der eigenen Wohnung einen sicheren Hafen sucht.

VIRTUELLE UND REALE WELTEN TREFFEN SICH Der Argentinier Andrés Reisinger ist der Shooting-Star unter den Metaverse-Designern, seine verträumten Möbel für virtuelle Welten erweitern auch real den Begriff, wie Design aussehen kann. Digitale Stühle von ihm wurden bereits in echt angefertigt – und machen auch da eine gute Figur. reisinger.studio

© Andres Reisinger Design

Erschienen in:

Falstaff LIVING Jubiläumsausgabe

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03