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Collections: Blicke über den Tellerrand

Möbel- und Design-Sammler werden jünger, sie kaufen gern online ein, und sie sind offen für neue Märkte: So boomt gerade nicht nur Kunst aus Afrika, sondern auch afrikanisches Design wird verstärkt entdeckt. Eine Entwicklung, die noch länger anhalten wird.

20.10.2020 - By Karin Cerny

Früher freute sich jeder Sammler, wenn die fetten Kataloge der Auktionshäuser ins Haus flatterten. Man hatte Zeit, ausgiebig darin zu schmökern, sah, welche Objekte zur Versteigerung angeboten wurden, und bekam einen guten Überblick, was in Sachen Design und Vintage-Möbel gerade angesagt war. Bloß: Wohin mit den dicken Wälzern? Inzwischen haben die gedruckten Kataloge fast schon Nostalgiewert. Man scrollt lieber zwischen zwei Business-Sitzungen auf Auktionsseiten, steigert und kauft natürlich auch online.

»Die amerikanischen Sammler wollen gar keine Kataloge mehr zugeschickt bekommen«, so Gerti Draxler, Design-Expertin im Wiener Dorotheum. »Mittlerweile hat sich die Nutzung des Internets und der Online-Angebote in allen Altersschichten durchgesetzt«, betont auch Weronika Chmielewska, die Hamburger Branch-Managerin von Lauritz, einem Auktionshaus für Designermöbel aus Skandinavien.

Große Diversität

Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung befeuert. »Es war ein Rekordjahr, was den Verkauf von Design und Möbeln betrifft, obwohl alle internationalen Events abgesagt wurden«, bestätigt Wava Carpenter, Kuratorin der Online-Plattform Pamono, die aus­gewählte Vintage-Objekte anbietet: »Die Design-Welt hat sich blitzschnell online verlinkt.« Die Krise hat aber auch verstärkt, was sich vorher schon abgezeichnet hat: Es wird immer schwieriger, Trends zu folgen. Von Mid-Century über die Postmoderne bis hin zu Zeitgenössischem, alles ist gleichzeitig gefragt.

»Es gibt gerade eine große Diversität: Käuferinnen und Käufer konzentrieren sich weniger auf bestimmte Stile und Epochen. Vielleicht folgen die Menschen mehr ihren eigenen Instinkten, als bloß auf Trends auf­zuspringen. Sogar Sammler, die großen Wert darauf legen, ihre Objekte als Investment zu begreifen, müssen zugeben, dass der Design-Markt schwer zu berechnen ist«, analysiert Carpenter, die auch bestätigt, dass die Vin­tage-Sammlerszene ständig wächst: »Ich arbeite seit 15 Jahren in diesem Bereich, der Markt wird breiter, was das Alter, das Einkommen, aber auch die Regionen betrifft, in denen gekauft wird.«

»Es war ein Rekordjahr, was den Verkauf von Design und Möbeln betrifft, obwohl alle internationalen Events abgesagt wurden.«

Wava Carpenter, Kuratorin bei Pamono

Neue Design-Stimmen

Afrika war lange nicht am Radar der meisten Sammler, die sehr europäisch ausgerichtet waren. Aber seit einigen Jahren steigt nicht nur das Interesse an Kunst, sondern auch an Design aus Afrika rasant. »Es ist spannend zu sehen, dass endlich auch neue Design-Stimmen international gehört werden«, sagt Carpenter. Das macht sich mittlerweile auch bei Auktionen bemerkbar. So hat Sotheby’s in London diesen April einen Rekordpreis von rund 1,26 Millionen Euro für die Wandskulptur »Zebra Crossing« des ghanaischen Künstlers El Anatsui aus dem Jahr 2007 erzielt.

Entwürfe von Kossi Aguessy – der in Togo geboren wurde, in New York aufwuchs, in London studierte und in Paris arbeitete – zeigen, dass Designer aus Afrika globale Trends aufnehmen und mit afrikanischer Tradition verbinden. Ihre Designs sind sehr skulptural – und mittlerweile auch in Museen gefragt. Der »Useless Tool Chair« des 2017 verstorbenen Aguessy findet sich in der Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA). Er besteht aus Material, das für die Raumfahrt verwendet wird, ist extrem hitzebeständig und wäre auf einem Radarschirm nicht zu erkennen.

»Sogar Sammler, die großen Wert darauf legen, ihre Objekte als Investment zu begreifen, müssen zugeben, dass der Design-Markt schwer zu berechnen ist.«

Wava Carpenter, Kuratorin bei Pamono

Limitierte Auflagen

Stanislaw Trzebinski aus Kenia arbeitet mit Bronze und entwirft fantastische Skulpturen, die zugleich funktionale Möbel sind – seine Arbeiten wurden schon bei Christie’s in London versteigert. Auch Atang Tshikare, der wie Trzebinski in Kapstadt lebt, entwirft Stühle und Tische, die wie Kunstwerke aus­sehen. Viele seiner Möbel kommen in limitierten Auflagen auf den Markt, was für Sammler besonders spannend ist. Porky Hefer, ebenfalls aus Südafrika, stellt zum Großteil Unikate oder zumindest sehr limitierte Auflagen her, die von Tieren inspiriert sind – ein riesiger Polarbär, eine Muschel, ein Tukan oder Fische, in die man sich kuscheln kann.

Postmodernes Design

Was für eine Sammlung interessant ist, unterscheidet sich bei Objekten aus Afrika und Europa wenig: Die Exemplare sollten sehr speziell, selten und von hoher Qualität sein. Besonders gefragt sind Prototypen, Einzelstücke und Maßanfertigungen. Der europäische Markt ist diesbezüglich ziemlich abgegrast. So findet man kaum mehr Sammlerstücke von Verner Panton, dem dänischen Pop-Art-Visionär. »Wichtige Entwürfe von Verner Panton befinden sich in Privatsammlungen, sie werden seit gut 20 Jahren nicht mehr angeboten«, erklärt Gerti Draxler vom Dorotheum.

Das post­moderne Design von Ettore Sottsass steht wieder hoch im Kurs, aber da vieles nach wie vor produziert wird, konzentrieren sich Sammler auf Unikate – wie etwa ein riesiges Keramik-Wandbild, das 1959 entstanden ist und im Dorotheum um 111.500 Euro verkauft wurde. Aber auch der französische Architekt und Designer Jean Prouvé erzielt nach wie vor Höchstpreise, wie der seltene »Compas«-Tisch beweist, von dem nur wenige Exemplare existieren (Verkaufspreis im Dorotheum: 79.600 Euro). Worauf soll man sich also spezialisieren? ­ »Ich spreche viel mit Sammlern aus aller Welt«, sagt die Pamono-Kuratorin Carpenter: »Die wenigsten von ihnen empfehlen, irgendwelchen Trends zu folgen. Aufstrebende Sammler sollten sich auf das konzentrieren, was ihnen Freude macht.« Und ihren Blick über den Tellerrand richten. Denn auch abseits von Europa gibt es viel zu entdecken.

»Wichtige Entwürfe von Verner Panton befinden sich in Privatsammlungen, sie werden seit gut 20 Jahren nicht mehr angeboten.«

Gerti Draxler, Dorotheum-Designexpertin

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