Casual Fine Dining: Jung, mutig, ungewöhnlich
Sterneküche muss nicht steif sein: Casual Fine Dining lautet das Motto der Stunde – auch, um ein jüngeres Publikum zu begeistern. Herausragende Restaurants in Helsinki, Berlin und Wien überzeugen dabei mit neuen Raumkonzepten.
30 . April 2021 - By Karin Cerny
Von außen wirkt das »Grön« im Zentrum von Helsinki wie ein schicker Imbiss: Unprätentiös gibt eine durchgängige Glasfront den Blick vom Gehsteig in die Küche frei. Die Einrichtung ist simpel, Pflanzen machen den kleinen Raum gemütlicher, der ansonsten durch klare Linien überzeugt. Understatement statt Protzen: Ohne zu wissen, dass sich hier eines der Top-Restaurants von Finnland befindet, würde man glatt daran vorbeilaufen.
Sammeln, Trocknen, Einlegen, Fermentieren – was im »Grön« auf dem Teller landet, kommt aus der Natur. So schlicht das Lokal wirkt, so experimentell ist die Küche. 2015 hat Toni Kostian, der zu den führenden Chefs des Landes zählt, gemeinsam mit seinem Partner Lauri Kähkönen das kleine Gassenlokal eröffnet. 2018 hat man den ersten Michelin-Stern an Land gezogen und ist damit noch immer in exklusiver Gesellschaft – nur insgesamt fünf finnische Lokale können sich damit schmücken. Im »Grön« steht auch jeweils ein veganes Menü zur Auswahl, was in der Sterneküche nach wie vor nicht Standard ist. »Wir wollten von Beginn an einen Ort haben, der die Menschen nicht abschreckt«, erzählt Kostian: »Ich denke nicht, dass Fine Dining steif sein muss. Es sollte Spaß machen und inspirierend sein. Warum sollte man viel Geld dafür ausgeben, um Zeit in einer Atmosphäre zu verbringen, in der man sich nicht wohl fühlt? Entspannt zu sein, senkt doch nicht die Standards, was auf dem Teller landet. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall.« Auch beim Servieren geht man ungewohnte Wege. Das Essbesteck liegt im »Grön« in einer kleinen Schublade. »Ich wollte mehr Platz auf dem Tisch haben, auch, um es fürs Auge ruhiger zu machen«, erklärt Kostian.