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Bezaubert von Licht und Glas: Interview mit Lucie Koldova

Ein Metropolen-Leben zwischen Seine und Moldau: Die tschechische Stardesignerin Lucie Koldova verbindet klares Design, feine Poesie und Pariser Eleganz mit der traditionsreichen Handwerkskunst ihrer Heimat. LIVING sprach mit ihr in Prag.

10.09.2020 - By Uwe Killing

Ein Hinterhof in Prag, 6. Stadtteil: Wo früher Autos gewaschen wurden, prägen nun Farben, elegante Formen und große Zeichentische die Szenerie. Im Studio Lucie Koldova, ausgebreitet auf mehreren hellen Etagen, arbeitet die erfolgreichste tschechische Produktdesignerin und Art-Direktorin des böhmischen Glasleuchtenherstellers Brokis. Selbst mit Vorliebe in streng durchdachten, schwarz-weißen Outfits gekleidet, steht die 37-jährige Pragerin für einen Stil, der Lampen und Möbel mit feinsinniger,  bunter Leichtigkeit zum Schweben bringt. Die vielfach ausgezeichnete Designerin setzte sich in Paris durch, lebt aber wieder an der Moldau, wo sie neben ihren Leuchten zunehmend andere Interieur-Objekte entwirft.

LIVING: Was war die erste Sache, die Sie designt haben?
LUCIE KOLDOVA: Eine Schülerzeitung. Und ich habe ständig gezeichnet als Kind.

Was für eine Art von Mädchen waren Sie?
Aktiv, entschlossen und vor allem sehr neugierig.

Sie haben in Prag an der Akademie für Kunst, Architektur und  Design studiert. Was war Ihr Berufsziel?
Zunächst wollte ich Psychologie und Kunst studieren. Ich träumte lange davon, Malerin zu werden. Das Interesse für Design hat sich daraus schließlich erst entwickelt.

Sie haben einmal gesagt, dass die Arbeit mit Licht der Inbegriff von Freiheit für Sie sei. Was heißt das für den Gestaltungsprozess?
Es geht darum, Energie in eine gestaltete Form zu bringen. Dabei spiele ich mit Lichtquellen, Material und Effekten. Eine Leuchte zu kreieren, bedeutet, mit Energie zu interagieren und dabei eine besondere Atmosphäre zu erzeugen. Das empfinde ich in der Tat als große Freiheit, allerdings kommen dann noch viele Aspekte, etwa der Technik und der Sicherheit, hinzu.

Was macht Glas zu Ihrem bevorzugten Material?
Es ist ein Rohstoff mit einem starken, vielschichtigen Charakter. Glas bezaubert mich, zieht mich jedes Mal in seinen Bann. Und die Verwendung von mundgeblasenem Glas hat für mich etwas Existenzielles, es verbindet mich mit meinem Land.

Das Unternehmen Brokis setzt die lange Tradition der böhmischen Glaskunst fort. Wie sehen Sie die Zukunft?
Mit der Corona-Pandemie erfahren wir gerade eine schmerzliche Lektion in allen Lebensbereichen. Niemand kann vorher­sagen, was als Nächstes kommen wird. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir bald zu dem Level vor der Krise zurückkehren können. Mundgeblasene Lampen haben einen zeitlos schönen Charakter, und in Kombination mit gutem Design haben sie für mich einen festen Platz auf dem Markt.

Was ist Ihre Leitlinie als Art-Direktorin bei Brokis?
Brokis ist ein starkes, sehr verlässliches Familienunternehmen. Wir verfolgen langsames Wachsen sowie eine behutsame Erweiterung des Portfolios, um unser Handwerk in die Welt zu bringen.

Was ist der beste Teil Ihrer Arbeit?
Die schönste Phase ist, wenn ich mein Design entworfen habe und auf die ersten Prototypen warte. Auch wenn ich weiß, dass sich am Objekt noch einmal etwas verändern kann, ist der Anblick der ersten Form immer wieder aufregend für mich. Mein Thrill.

Sie haben sich mit einem eigenen Studio in Paris durchgesetzt, wollten aber zunächst unbedingt nach London gehen, oder?
Ja. London war schon ganz früh meine Lieblingsstadt, ich bin dort oft hingereist, um Museen und Ausstellungen zu besuchen. Ich liebe den Spirit von London, diesen Kontrast zwischen traditionellen Backsteinhäusern und moderner Architektur.

Es gibt ganz offensichtlich einen Einfluss Ihrer Pariser Jahre auf Ihre Arbeit. Ist es Liebe? Ich habe Paris lieben gelernt, ja. Es ist eine Stadt des Lichts, die mir sehr viele Inspirationen gegeben hat. Die ersten zwei Jahre in Paris, als mir die Sprache noch fremd war, waren allerdings eine große Herausforderung. Da gab es auch schwierige Phasen. Doch nach einer Weile habe ich gespürt, wie wichtig solche Erfahrungen für mich sind.

Was fasziniert Sie am meisten an Frankreich?
Schwer zu beschreiben. Es ist das gesamte Paket: die Menschen, der Lebensstil, die Mode, das Interior-Design.

Kollektionen von Ihnen tragen Namen wie »Macaron« und »Muffin«. Haben Sie dazu eine besondere Beziehung?
Das ist eher ein Zufall. Jedenfalls esse ich diese Süßspeisen nicht.

Wann sind Sie am kreativsten? Benötigen Sie dafür feste Rituale?
Ich muss mich entspannt fühlen, damit meine Gedanken fliegen können. Und gute Ideen kommen dann meistens ganz überraschend.

Wie wichtig ist die Umgebung?
Elementar! Ich benötige verschiedene Schwingungen und Impulse, in meinem Leben wie bei der Arbeit. Also Farben, Objekte, Architektur, neue Muster, optische Anreize.

Nehmen Sie für Ihre Formsprache das Attribut »feminin« in Anspruch?
Es mag eine besondere Energie in meinen Arbeiten zum Ausdruck kommen, aber ich verbinde das nicht mit einer Geschlechter-Diskussion. Frauen sind im Interior-Design erfolgreich, weil sie es verstehen, mit Texturen und Materialien umzugehen, sie atmosphärisch vielseitig einzusetzen. Aber ich würde daraus keine spezifische weibliche Ästhetik ableiten.

Welche drei Dinge sind für Sie unverzichtbar?
Kaffeemaschine. Kamera. Computer.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2020

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