»Basel ist die Kulturhauptstadt der Schweiz«
Der Kurator, Produzent und Künstler Klaus Littmann über den hohen Stellenwert der Kunst in der Stadt am Dreiländereck.
06.12.2020 - By Maik Novotny
LIVING: Sie sind seit Langem in vielen Rollen in der Kunstwelt Basels aktiv. Wie hat sich die Kunstszene in Basel in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt?
Klaus Littmann: Wie überall gibt es Höhen und Tiefen, die Qualität ist jedoch konstant hoch geblieben. Die großen Häuser haben sich sehr stark international positioniert. Parallel dazu hat sich aber auch die alternative Szene stark entwickelt, vor allem im öffentlichen Raum sowie mit Um- und Zwischen-nutzungen und sogenannten Offspaces. Das Kleinbasel und der Hafen sind ins Blickfeld gerückt, und der Rhein ist seit der Neugestaltung des Ufers im Sommer und an Wochen-enden zum Treffpunkt der Stadt geworden.
Sie wurden 2002 mit dem Kulturpreis der Stadt Basel ausgezeichnet. Ist die Stadt eine Art
»kultureller Nährboden« für Sie?
Ich werde oft gefragt, warum ich das, was ich mache, in Basel mache und nicht woanders. Der Grund dafür: Das Kulturbewusstsein in dieser Stadt ist enorm, sei es in der Hochkultur oder in der Subkultur. Das betrifft nicht nur eine Elite, sondern die ganze Bevölkerung. Auch die Größe und Lage der Stadt im Dreiländereck mit rund 200.000 Einwohnern ist ideal. Man kann in Basel sehr gut kooperieren, es gibt hier keinen Dünkel. Dieser besondere Charakter geht weit zurück in die Geschichte: Der Humanismus spielte hier immer eine große Rolle. Insbesondere das Kunstmuseum, die erste und öffentliche Kunstsammlung der Welt, ist für mich immer wieder künstlerische und geistige Nahrung.
Wie wichtig ist das Mäzenatentum der Bürger und der Industrie für die Kunst?
Das Mäzenatentum in Basel ist einzigartig. Das gilt auch für den Umgang damit. Es ist gut überlegt, gezielt und passiert auf diskrete Weise. Dieses kulturelle Verantwortungsbewusstsein wird in den Familien und Unternehmen oft über Generationen weitergereicht. Das Geld fließt dabei nicht immer nur in die großen Häuser, sämtliche kulturelle Ausdrucksformen profitieren davon. Des Weiteren engagieren sich die Basler auch stark im sozialen Bereich.
Szene-Insider
Welche Bedeutung hat Basel als Kunststandort in der Schweiz, und wie unterscheidet man sich von Zürich?
Basel ist und bleibt die Kulturhauptstadt der Schweiz. Zürich ist etwas lauter, dort zeigt man her, wenn man etwas macht. In Basel ist man zurückhaltender und hängt das nicht an die große Glocke. Das Kultivieren einer Städterivalität finde ich aber eher uninteressant.
Welche internationale Bedeutung hat Basel als Kunststandort, und welche Rolle spielt die Kunstmesse Art Basel dabei?
Die Art Basel ist heuer 50 Jahre alt. Eine solche Institution hat sicherlich Einfluss auf die Stadt, auch wenn diese während der Messe in einem Ausnahmezustand erlebt wird. Die Menge an Events ist für einen einzelnen Besuch gar nicht zu bewältigen. Am Abend trifft sich ein buntes, internationales Publikum in der Stadt, und auf Einladung kann die eine oder andere großartige Privatsammlung bewundert werden. Die Expansion 2002 nach Miami hat der Art Basel einen enormen Schub gegeben. Heute ist sie eine Weltmarke. Sie wird in einem Atemzug mit der documenta Kassel und der Biennale Venedig genannt, das ist für eine Messe beachtlich.
Welche Museen und Galerien in Basel würden Sie einem kunstinteressierten Besucher empfehlen?
Natürlich das Kunstmuseum. Auch das Museum der Kulturen, die Fondation Beyeler, die Kunsthalle und das Schaulager. Die neue Kulturstiftung KBH.G, die jüngst eröffnet hat und wo ich im kommenden Frühjahr ein Ausstellungsprojekt präsentiere, das die Kunstintervention FOR FOREST im Wörthersee-Stadion als Ausgangspunkt nimmt und erweitert. Unter den Galerien sicher die seit 1969 bestehende Galerie Stampa. Was die Galerienszene betrifft, bin ich sehr optimistisch, da jetzt ein Generationenwechsel stattfindet. Die Galerie Dominik Müller, er kombiniert Kunsthandel und Programmgalerie mit historischer Kunst, die Galerie Carlo Knoell, Nicolas Krupp, Stefan von Bartha sie alle setzen sich inhaltlich und intensiv mit der Kunst auseinander und kooperieren. Sie sehen sich nicht als Konkurrenten, sondern als Akteure, die etwas bewegen wollen.