© Planungsbüro Matzen

Aufatmen in der Stadt - Grüne Dächer und Fassaden

Balkone und Terrassen müssen heute mehr bieten als einen Minimalauftritt und eine Position in der Verkaufsbroschüre. Mit ganzheitlichem Anspruch und Natur-Know-how kommt das Grün mitten in die Stadt und bleibt auch dort.

24.03.2022 - By Maik Novotny

Nicht alles, was blüht, rankt und wuchert, ist grün. Manchmal ist es auch rot – so wie die Rote Emma, eine Kartoffelsorte der festkochenden Art mit rötlichem Inneren. Diese vielseitige Knolle war auch der Namensgeber für ein Wohnprojekt mit besonders grünem Programm: die Rote Emma in Wien-Donaustadt, geplant von Gerner Gerner Plus und AWG Architekten. Auf rotem Betonsockel wächst es hölzern empor, sprießt breite Balkone mit Pflanztrögen, um dann in Dachterrassen zu enden (mit Pergolen, Photovoltaikanlage und vollem Urban-Gardening-Programm), umweltsensibel gespeist von Grauwasser.

Keine Alibibalkone

Wessen Auge ermüdet ist von den mikroskopischen Alibibalkönchen, die in den letzten Jahren vor allem beim freifinanzierten Wohnbau die Fassaden zierten, darf hier erleichtert aufatmen. Denn der Freiraum bekommt heute immer öfter den Platz, der ihm zusteht, und das Grün ist mehr als nur gesundgespritzte Geranien-Deko, es ist richtige Natur. »Das begrünte Hochhaus Bosco Verticale von Architekt Stefano Boeri in Mailand erregte 2014 rund um die Welt Aufsehen, war aber ein Projekt für die oberen Zehntausend mit hohem Aufwand«, sagt Vera Enzi, Geschäftsführerin der Wiener Bauwerksbegrünungskompetenzstelle Grünstattgrau. »Inzwischen planen Investor:innen und Architekt:innen aber auch ganze grüne Quartiere. Eine üppige, integrierte Freiraumgestaltung ist zum neuen Standard geworden, weil man realisiert hat, dass der Effekt des gesundheitlichen Wohlbefindens auf das Umfeld und die Stadt ausstrahlt.«

Auch am südlichen Ende Wiens wuchert es: Das 2020 fertiggestellte ERnteLAA kombiniert Terrassen, Balkone, Loggien und Gärten, Nistkästen für die Tierwelt, eine Fassadenbegrünung mit Rankgerüsten und einen Dachgarten mit Hochbeeten und gleich mehreren Glashäusern: einem zur Überwinterung von Topfpflanzen, einem zur Anzucht von Jungpflanzen und einem beheizten als Gemeinschaftsraum für die Gärtner:innen des Hauses.

»Es ist Teil unseres Selbstverständnisses, als Bauträger auch Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt zu übernehmen«, sagt Andreas Holler, Geschäftsführer der BUWOG Group. »Unsere grünen Projekte wie ERnteLAA leisten mit der Verbesserung des Mikroklimas und der Förderung der Artenvielfalt einen wichtigen Beitrag für ein lebenswertes Wien.«

Bergpfad im Flachland

Gänzlich unübersehbar ist der Siegeszug des Grüns in den Städten auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg. Dort verwandelt sich derzeit der düster-massive Hochbunker St. Pauli aus dem Zweiten Weltkrieg in eine Oase mit wilder Frisur, zu einem »grünen Bunker«. Die Initiative dazu kam hier nicht von Investorenseite, sondern von der Nachbarschaftsinitiative Hilldegarden e. V. Der bisher als »Medienbunker« genutzte Koloss wird ergänzt um Urban Gardening, eine Parkanlage mit richtigen Bäumen und einen Dachgarten mit Panoramablick in rund 50 Metern Höhe über der Hansestadt. Das besondere Highlight wird der »Bergpfad«, der sich außen um den Beton windet und den Flachland-Hanseaten ein ­geradezu alpines Kletterfeeling vermittelt.

Manchmal gedeihen die neuen Freiräume aber auch im Verborgenen, nämlich in den Hinterhöfen dicht bebauter Innenstädte. Hier erfordert es Know-how und Feingefühl, um neue Balkone und Pflanzen einzufügen. MARS architectes aus Paris gelang genau dies: Sie fügten im zwölften Arrondissement ein Holzhaus mit 14 Wohnungen ein; jede von ihnen verfügt über einen Laubengang und einen schmalen Balkon – ein zartes Gefüge, das mehr japanisch als französisch wirkt.

Baut man dagegen in Naturnähe, reicht schon der Balkon, um das Grün in Greifweite zu rücken. Die Marchfeldterrassen des Wohnbaus in Wien-Floridsdorf von trans_city Architekten lassen ihre weißen Balkonbrüstungen elegant ausschwingen, wodurch sich Terrassen von einer Größe auftun, die man sonst im Wohnbau selten sieht. Raum zum Atmen für Mensch, Pflanze und Tier.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 02/2022

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