© Floatinghomes

Flächenverknappung, steigende Meeresspiegel und Starkregen setzen den Städten stetig zu. Im Sinne des Klimawandels bauen Planer:innen rund um die Welt zunehmend auf Wasser und lassen dabei ganze Wohnquartiere, aber auch Privatvillen und Freizeitanlagen schwimmen. Über die aufsehenerregende »Floating Architecture«, die heute schon hohe Wellen schlägt.

13.07.2023 - By Susanna Pikhart

Einst war es die unglaubliche Geschichte der Roseninsel, einer vor genau 55 Jahren vom Ingenieur Giorgio Rosa geschaffenen Plattform im Meer, die zu einem selbstständigen Staat erklärt und ein Jahr später wieder abgerissen wurde. Ein Film, der auf Netflix wellenartig für Erstaunen wie Amüsement sorgt. Heute ist Floating Architecture alias schwimmende Bauwerkskunst nicht nur Realität, sondern auch ein vielversprechender Zukunftstrend. Die Fakten dahinter: Rund 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Somit liegen auch die meisten großen Städte der Welt in der Nähe von Gewässern. Und sie wachsen. Bis 2050, so die Prognosen, sollen mehr als zwei Drittel der Menschen in urbanen Räumen leben, wo das Bauland naturgemäß immer begrenzter wird. Erschwerend kommen globale Auswirkungen des Klimawandels hinzu, wie etwa der steigende Meeresspiegel, Starkregen und Stürme, zusätzlich die stetige Bodenversiegelung in Küstengebieten und an den meisten Seeufern. Alles Gründe, warum nun zunehmend Strategien und Konzepte entwickelt werden, um Architektur und Wasserflächen effektiv in Einklang zu bringen. »Bevor das Wasser kommt, gehen wir zu ihm«, lautet der Ansatz des Architekten Koen Olthuis, der sich auf Floating Architecture spezialisiert hat. Mit seiner Firma Waterstudio in den Niederlanden gehört er weltweit zu den Vorreitern. Von Amsterdam aus entwirft er schon seit 30 Jahren schwimmende Villen, Ferienanlagen und Quartiere rund um den Globus und ermöglicht so den Menschen Wohnen und Arbeiten auf dem Wasser.  Aktuell koordiniert er als Mastermind etwa die Errichtung der »Maldives Floating City«. Das Projekt sieht sechseckige schwimmende Plattformen vor, die miteinander verbunden werden, um eine künstliche Inselstadt in Form eines Gehirns zu bilden. Rund 5.000 niedrige Gebäude sollen hier zu Wohnungen für bis zu 20.000 Einheimische werden. Für Olthuis ist das Bauen auf dem Wasser die Zukunft: „Schwimmende Gebäude und ganze Anlagen lassen sich leichter anpassen oder verschieben. Wir können Sommer- oder Winterstädte haben, die je nach Jahreszeit -unterschiedlich konfiguriert werden. Die schwimmenden Fundamente können neu positioniert werden, um Sonne, Wind oder Wasser besser zu nutzen. Das ist bei -herkömmlichen Bauweisen unmöglich.«

»Durch den Klimawandel sind schwimmende Häuser die Wohnkonzepte für die
Zukunft. Wir Architekten sind hier Ärzte für die Städte und Wasser ist unsere Medizin.«
Koen Olthuis Architekt, Waterstudio

© beigestellt

»Die größten Heraus-forderungen bei Floating Houses sind derzeit nicht Hightech und Design,
sondern rechtliche Rahmenbedingungen und Genehmigungen.«
Nicolas Derouin CEO Arkup

© beigestellt

»Shorebird House«, Finnland Das schwimmende Haus stammt vom Architekturbüro Bäckman & -Dunseath, inspiriert von den lokalen Seevögeln, die entlang der Küste waten. Die
Wohn- und Küchenbereiche wurden alle so positioniert, dass sie einen -ungehinderten Meerblick bieten. backmandunseath.com

© Bäckman & Dunseath

»Seapods« Riesige luftgefüllte Stahlrohre ermöglichen den nötigen Auftrieb und zugleich Stabilität, um die wohnliche »Seekapsel« schwimmend drei Meter über dem Wasser zu halten. Ein innovativer Ansatz für nachhaltiges Leben im Ozean inklusive Sonnenkollektoren und neuester MEP-Systeme. oceanbuilders.com

© Oceanbuilders

Neue luxus-ökowelten

Richtungweisend ist das Waterstudio auch bei Luxusvillen und Wohnlofts, die auf dem Wasser residieren statt auf dem Land. So entwarf der Architekt jüngst zehn schwimmende Luxus-häuser für ein Projekt in Zeewolde. Die als -Waterlofts konstruierten Floating Houses wurden samt Carport, Garten und Räumlichkeiten unter Wasser zu einem beeindruckenden -Ensemble namens »De Blauwe Diamant« vereint, das international zu den nachhaltigsten Wohnprojekten auf Wasserbasis gehört. In Kooperation mit dem US-Unternehmen Arkup wagt sich Olthuis noch höher hinaus – dank eines einzigartigen Verankerungs- und Selbsthebesystems für schwimmende Strukturen. »Diese Technologie ist revolutionär und schafft ganz neue sowie höhere Konstruktions- und Designmöglichkeiten auf Wasser«, sagt der Architekt. Der CEO des in Miami ansässigen Unternehmens Arkup, Nicolas Derouin, hebt nicht zuletzt die umweltfreundlichen Vorteile dieser Art schwimmender Architektur hervor: »Unsere Technologie hat weniger Auswirkungen auf den Meeresboden als herkömmliche Verankerungssysteme. Schwimmende Arkup-Strukturen können auch vollständig über das Wasser gehoben werden, wodurch das Sonnenlicht auch das Fundament erreicht. So werden etwaige Probleme mit der Beschattung des Meeresbodens erheblich reduziert. Außerdem können wir unseren Floating Houses Funktionen hinzufügen, um das Meeresökosystem zu schützen und positiv zu beeinflussen, dazu gehören etwa Unterwassergärten oder Korallenriffschulen«. Koen Olthuis bekräftigt: »Mit unserer Floating Architecture wollen wir Ökosysteme nicht nur schützen, sondern fördern.« Die meisten schwimmenden Häuser ähneln heute den Bauten an Land. Nur stehen sie nicht auf festem Grund, sondern werden auf Pontons gebaut. Grob dargestellt hievt man dabei die einzelnen Teilstücke mit einem Spezialkran auf die Tragflächen und verbindet sie miteinander. Das fertige Haus wird mit einer Art Dämpfersystem am Steg befestigt. Diagonal dazu werden wasserseitig Dalben im Grund des Flusses, Sees oder Strands eingelassen, also Pfähle aus Stahl, die für Stabilität sorgen. Dadurch bewegt sich das Haus nur in vertikaler Richtung und es kommt zu keinen Schwankungen aufgrund wechselnder Strömungsverhältnisse.

Bauland Wasser?

In Deutschland bieten schwimmende Häuser der Marke Floating Homes exklusiven Raum auf dem Wasser. Ob als Ferienhaus, Wohnsitz oder Event- und Gastrolocation – die verschiedenen Standardhaustypen sowie individuelle Sonder-lösungen wollen maritime Sehnsüchte für jeden Einsatzzweck verwirklichen. Katarina Breves, Geschäftsführerin der Floating Homes GmbH: »Schwimmende Häuser lassen Räume entstehen, wo auf den ersten Blick kaum Raum vorhanden ist. So liegt zum Beispiel der ›Floating Homes B-Typ‹ in direkter Nachbarschaft zur Elbphilharmonie im Hamburger Hafen.« Beim Design geht es darum, ein besonderes Lebensgefühl inmitten der natürlichen Elemente zu erschaffen. »Grundsätzlich sind dem Design wenig Grenzen gesetzt. Floating Homes haben eine oder zwei Etagen. Es ist ebenso möglich, eine Sauna ins Haus zu integrieren oder ein Skydeck«, so Breves. »Was die Konstruktion angeht, ist der Ponton aus Stahlbeton maßgeblich. Er lässt das Haus schwimmen. Außerdem ist entscheidend, dass jedes Objekt komplett erschlossen ist. Es ist an das jeweilige Stromnetz genauso fest angeschlossen wie an die Wasserversorgung. Ein enormer Vorteil gegenüber einem Hausboot.« Die größten Herausforderungen der Floating Architecture sind heute allerdings weniger die technischen Voraussetzungen als die rechtlichen Rahmenbedingungen. Bisher werden Wasserflächen nämlich selten als Baugrundstücke ausgewiesen. Zudem gibt es in den meisten Ländern noch kein einheitliches Genehmigungsverfahren, da der Begriff »schwimmende Häuser« noch keinen Eingang in die Bauordnungen gefunden hat. »Das macht die Bewilligungsprozesse schwierig und langwierig«, bestätigen Koen Olthuis und Nicolas Derouin. Im Grunde gibt es zwei Wege, um zu einer Baugenehmigung zu kommen. Entweder wird ein Antrag über die Vorlage eines Bebauungsplans gestellt. Oder es wird um eine Genehmigung als Schiff angesucht. Dass Wassergrundstücke künftig in den Immobilienmarkt integriert werden, ist aber bereits absehbar. »Durch eine Standardisierung und Massenproduktion werden sich hier auch die Baukosten senken«, sagt Olthuis. Ein -Wasserhaus sei schließlich ein normales Haus, nur mit einem anderen Fundament.

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN IM RESIDENCES 2301.

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