© Lukas Ilgner

Architekt Heinz Neumann im Talk über digitale und analoge Bauwelten

Er hat Wien über Jahrzehnte mit seinen Bauten geprägt und ist heute im Trio mit seinen beiden Partnern weiterhin hoch aktiv. An Heinz Neumann und HNP Architects kommt man nicht vorbei. Der LIVING RESIDENCES-Talk über analoge und digitale Architektur und die Freude am Kaminfeuer.

04.01.2023 - By Maik Novotny

Am riesigen Glastisch, vor sich eine Rolle Zeichenpapier, sitzt Heinz Neumann und blickt auf seine ­neueste Baustelle. Er ist einer der meistbauenden Architekt:innen Wiens von der BahnhofCity Wien West über den Justiztower bis zum Uniqa-Tower, und auch mit 81 hat er noch viel vor. Ein Gespräch über Einblicke ins Entwerfen und Ausblicke auf die Stadt.

RESIDENCES Sie führen Ihr Büro HNP ge­meinsam mit den Partnern Oliver Oszwald und
Florian Rode hier in der Muthgasse. Rundherum stehen einige Ihrer Bauten, gerade kommen
weitere dazu. Ist es ein schönes Gefühl, wenn man jeden Morgen an den eigenen Baustellen ­vorbeikommt?

HEINZ NEUMANN Ein sehr gutes Gefühl. So kann ich immer Maß nehmen, was man besser machen könnte. Ich will aber nicht von meinen Fehlern erzählen!

Was ist das Ziel des neuen Quartiers?

Früher war das ein Hinterhof der Stadt. Jetzt mischen wir hier Wohnen, Gastronomie, Nahversorger und Gewerbe. Hier vor dem Fenster, wo Sie die Baustelle sehen, kommt eine neue Firmenzentrale, für die es mehrere interessante Bewerber gibt.

Die Mischung von Wohnen und Arbeiten in
einem Gebäude ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Architekt:innen. Muss man hier besonders auf Flexibilität setzen?

Mit der Flexibilität ist es so eine Sache. Viele Kolleg:innen rühmen sich, sie hätten alles flexibel gelöst, aber eine 70-Quadratmeter-Wohnung bleibt immer eine 70-Quadratmeter-Wohnung. Da kann man als Architekt:in noch so von der Elastizität träumen – wenn die mir zu klein ist, brauche ich eine größere.

Architektur will realisiert werden: Dieses Motto seines Vorbilds, des Architekten Karl Schwanzer, gilt auch für Heinz Neumann unverändert.

Sie haben einige Bürobauten konzipiert, etwa den Office Park am Flughafen oder den Central Hub an der Siemensstraße. Die Arbeitswelt hat sich durch Corona verändert. Mussten Sie schon ein Projekt redimensionieren?

Man rechnet heute immer mit einem gewissen Prozentsatz, der zuhause arbeitet. Aber wir haben noch nie die Fläche reduzieren müssen. Vielmehr planen wir bei den neuen Grundrissen mehr Come-Together-Zonen statt Einzelbüros ein. Es verschiebt sich also vom Arbeitsplatz hin zum informellen Gemeinschaftsbereich. Das komplett flexible Büro mit Desksharing, in dem niemand einen fixen Platz hat, halte ich aber für einen Irrweg. Das wollen die Leute nicht.

Ihr eigenes Büro arbeitet längst digital, aber hier auf dem Tisch liegen eine Rolle Aquafix und ein Dreikantmaßstab. Sie halten immer noch die Fahne des Analogen hoch?

Natürlich hat das digitale Zeichnen große Vorteile, und es ist heute nicht mehr wegzudenken. Aber beim Entwerfen brauche ich die Handskizze. Wenn ich mir ein Gebäude anschaue, sehe ich, ob es komplett am Com­puter entstanden ist. Das klingt vielleicht etwas überheblich, aber ich spüre es einfach. Ein Otto Wagner hat wunderbare Details entworfen, die in Serie gegangen sind, aber eben von Hand. Da stimmt alles, es ist schön, dauerhaft und gut benutzbar.

Hallo, Nachbar: Der Office Park 4 am Wiener Flughafen nimmt den Schwung des markanten Towers auf, ohne ihm die Schau zu stehlen.

Ihr Vorbild Karl Schwanzer, in dessen Büro sie arbeiteten, hatte das Ideal, dass Architektur realisiert werden will. Bei Ihnen scheint es ­genauso zu sein.

Absolut. Wir haben kein Markenzeichen, wir verfolgen eine heterogene Architektur im besten Sinne. Ich halte nichts davon, jedes Gebäude rund zu machen oder nur weiße Kisten zu entwerfen. Jeder Ort, jede:r Bauherr:in, jede stadträumliche Situation muss für sich durch Architektur beantwortet werden. Aber bei den Firmenzentralen, die wir bauen, haben wir mehr Freiheiten, da kann man expressiver und plastischer werden. Bei einem Developer-Projekt ist eher Zurückhaltung angesagt.

Neben den vielen Büros werden bei HNP auch immer wieder reine Wohnbauten entworfen. Wie wohnt Heinz Neumann eigentlich selbst – große Glasfront oder Kaminfeuer-Gemütlichkeit?

Beides! Ich bin ein großer Zündler. Ich habe einen Holzofen in der Küche, ich habe mir im Esszimmer einen Glaskamin gebaut, damit man auch beim Essen Kaminfeuer hat. Und den offenen Kamin im Wohnzimmer habe ich so gebaut, dass ich ihn als Kachelofen verwenden kann.

Also die Synthese von moderner Transparenz und archaischer Höhle.

So ist es! Natürlich große Fenster mit Blick in die Weinberge. So wohne ich sehr elitär in der Höhe. Allerdings hat mich mein Vater einmal zutiefst getroffen, als ich ihm stolz mein Wohnzimmer zeigte und sagte: Papa, das ist mein Blick auf die Stadt Wien! Und er sagte: Nein, auf Floridsdorf! Aber jetzt genieße ich den Blick sehr, weil vor meinem Fenster die DonauCity entstanden ist mit einer tollen
Skyline. Und dahinter tauchen bald die Kräne unserer Baustelle an der Siemensstraße auf.

Sie haben voriges Jahr einen großen Geburtstag gefeiert. Schaut man da eher voraus oder zurück?

Mein Geburtstagsmotto war: Auf zu neuen Horizonten! Das gilt nach wie vor. Ich werde mich ein bisschen neu organisieren, ich habe in meiner Nachbarschaft ein kleines Häuschen, und dort werde ich eine Art analoge Stube einrichten, wo ich in Ruhe mit Reißschiene und Bleistift entwerfen kann. Ich spiele nicht Bridge und nicht Golf, also ist es die Arbeit, die mich jung hält. Ich werde weiterbauen!

Das Quartier an der Muthgasse hat sich vom Hinterhof zur urbanen Mischung voller Leben entwickelt. Die letzten Bauplätze füllen sich derzeit.

Erschienen im Falstaff LIVING Residences 02/2022

Jetzt bestellen

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03