© Nikola Hergovich

Speisen wie Gebete bei »Culinaire L’Evrope«

Burgtheaterdirektor Martin Kušej und Gastrosoph Lojze Wieser wecken Fernweh und die Neugier auf unbekannte, vergessene und wieder zu entdeckende Geschmackserlebnisse.

Zeitraum: 18. November 2022, 18:00
Status: Karten verfügbar
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Organisator: Burgtheater
Ort: Wien
Location: Kasino

Mit Norman Hacker und Lilith Häßle wird es im November möglich, bei »Culinaire L’Evrope« Gebete wie Speisen zu erleben. Für die musikalische Begleitung sorgt das DUO SONOMA / Mira und Sara Gregorič. Ein Vorgeschmack auf dieses Event geben die folgenden Zeilen, ein Gedicht aus dem Slowakischen von Buchverleger, Autor und Gastrosoph Lojze Wieser:

»Brot und Leib. Geboren in Asche, auf Stein. Das Brot ist älter als die Schrift. Seine Namen wurden als erste in Tontafeln geritzt, in ausgestorbenen Sprachen. Ein Teil seiner Vergangenheit blieb in den Ruinen. Seine Geschichte ist unter die Völker verteilt. ›Was ist ein Gedicht?‹, fragt der Dichter Milan Rúfus und gibt sich die Antwort: Auf den Tisch etwas Klares stellen, wie Brot / oder Wasser. Oder / zwischen zwei Fingern Salz. Wo nur kommt das Seligmachende her, von welcher Flamme wurde es geleckt, in welcher Glut hat es sich vermählt, in welcher Asche ist es entstanden – das Panegyrisches Ei, die Bela čorba, die Jota, die Trüffel, das Sugo ...« 

Zwei Karten zu gewinnen

Jetzt mitmachen und mit etwas Glück gewinnen Sie zwei Karten für das einmalige Erlebnis »Culinaire L’Evrope«. Schicken Sie einen Mail an online@falstaff.com, um teilzunehmen und verraten Sie uns, warum Sie gerne dabei wären!

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeiter:innen der Falstaff Verlags-GesmbH.

Sechs Fragen an einen Gastrosophen 

Was macht die Veranstaltung Culinaire L’Evrope so besonders?
Lozje Wieser
: Culinaire L'Evrope hat beim Start vor drei Jahren eine gesellschaftliche Wahrnehmung vorweggenommen, und in den Jahren der Pandemie ist diese Erkenntnis sichtbar geworden: Wir führen zusammen, was in den vergangenen Jahrzehnten minimalistisch zerhackt wurde und als erstrebenswert galt und fügen es zu einer wiedergefundenen harmonischen Gesamtheit zusammen. Im poetischen Vortrag von Versen und Erzähltem, von Epischem und Tragischem, und verweben es mit manchen schon verschollenen Geschmäckern.

Das Exklusive // im Wahrnehmen // wird über alle Sinne, beim Genießen, beim Hören und im Gespräch verkostet und neu entdeckt und wird – zuerst vielleicht fremd, gar ungewohnt, aber letztlich – zum Selbstverständlichen.

Darin liegt das Geheimnis von Culinaiere L'Evrope, das wirkliche Fine Dining der erträumten Sehnsüchte, wo das Verschwundene dem Vergessen entrissen wird – durchs Teilen! Gemeinsam. Denn: Hier wird es zur Tafel aller Sinne!

Auf welche Dinge können sich die Gäste bei der Veranstaltungsreihe freuen?
Unser Bestreben ist es, die Gesamtheit des menschlichen Wohlbefindens durch die Deckung der elementaren Bedürfnisse in seiner Ganzheitlichkeit zu verknüpfen. 

Die Gäste bekommen entlegene Speisen serviert, spüren die heimischen Gerüche und Geschmäcker der jeweiligen Region, erfahrene Köchinnen und Köche begleiten die Menüauswahl, Ensemblemitglieder des Burgtheaters interpretieren, lesen, spielen literarische Szenen, der Hausherr Martin Kušej führt mit mir durch den Abend, Melodien und oft auch disharmonische Töne kommen zu Gehör… Eine reine Freude.

Was hat sie bewegt, die Reihe Culinaire L’Evrope ins Leben zu rufen?
Wir erleben hier eine Ganzheit des menschlichen Seins ohne Marketingfloskeln, dafür in die Tiefe gehend. Es ist gerade die Musik, die dem Ganzen eine Umrahmung gibt, die sonst so nicht geboten wird. Es sind die Auswahl und der Vortrag der Texte, durch Ensemblemitglieder. Es ist die Heiterkeit und der Witz, die sich harmonisch mit den Speisen und ihrer Würdigung in dieser Theateratmosphäre zusammenfügen. Man spürt förmlich den Geschmack der Rezepte und Speisen. Das weckt Fernweh und auch Neugierde auf unbekannte, vergessene und wieder zu entdeckende Kunst- und Geschmackserlebnisse. Die wenigen bisherigen Veranstaltungen zeigen: Das hat Martin Kušej im Auge gehabt, als er den Anstoß zur Entwicklung dieser Reihe gab.

Europa – warum?
Als ich vor mehr als fünf Jahrzehnten, mit sechzehn, erstmals ins Burgtheater trat, bin ich durch das Scheunentor des ländlichen Verschweigens meiner Kindheitssprache in die Arena des Flüsterns getreten und suchte ab da dem Schweigen durch Sprache zu entkommen. Die Stille erst, durch das Erstummen zum lauten Ächzen geworden, führt an das Innere der klaffenden Wunde und – nach France Prešeren – "hab Hoffnung, Furcht Lebwohl gesagt / slovo sem upu, strahu dal." In Zeiten der Unruhe und in Zeiten der Ängste findet sich die Hoffnung im poetischen Wort. Darin ist das friedliche Europa der Würde, der Achtung und der Menschenrechte zu finden.

Worin liegt ihrer Meinung nach der wesentliche Unterschied zwischen Kunst und Kulinarik?
Es ist ein Versuch, dem Leben eine gewisse Normalität zu geben. Derzeit arbeiten wir alle in der Kultur, als ob wir es für die Ewigkeit machen würden, im Wissen, dass es Morgen schon wieder vorbei oder doch ewig sein könnte. Dieses elliptische Streben ist ein sich selbst antreibendes Perpetuum der Motivation, aus der die Ewigkeit ihr Beharren und ihren Trotz nährt. Wir bereiten was vor im Wissen, dass alles auch wieder verschwinden wird. Oder, dass das Gekochte nicht serviert wird. Aber wir machen es, weil es das Leben ist, das gemeistert, bewältigt werden will und das weiter geht.

Denn die Kunst des Feierns liegt in der hohen Form des Zubereitens. Mangel hat als Kehrseite nicht die Unkenntnis, Mangel hat als Kehrseite die Fähigkeiten der Verknüpfung und Zusammenführung aller Komponenten des Lebens, die aus dem Archiv des über Jahrtausende zusammengetragenen Wissens schöpft, gespeist aus der bitteren Erfahrung des Nichts – entstanden durch Krieg, Seuchen und Naturkatastrophen – die im Gesang, in der Poesie, in der Zärtlichkeit des Umgangs miteinander, die Geduld und den Überlebenswillen immer wieder auferstehen und das Hoffen wagen lässt.

Was ist Gastrosophie Ihrer Meinung nach?
Mangel und Kargheit bedeutet die Kunst und Fähigkeit, die hohen Form der Harmonie entwickelt zu haben, die im einfachen Tagesgericht den Willen des Lebenskampfes fördert und die Freude nährt, sich den Herausforderungen des Alltages zu stellen und diese mit Bravour zu meistern –mit der in sich ruhenden Gewissheit, dass es Zeiten des Arbeitens und Zeiten des Feierns gibt, die die in sich verborgenen und in einer einen überkommenden Zeit die Trauer zur Katharsis macht und die Freude zur notwendigen Erneuerung als Maß nimmt, dass täglich genommen werden muss.  

Es ist die Illusion, aus der diese Vision geboren wird, Löffel um Löffel, Gabel für Gabel, Vers um Vers – das Gebet, wie eine Litanei memorierend: Elend, lass uns in Ruh! Krieg, lass uns in Ruh! Pandemie, lass uns in Ruh! Klimakatastrophe, lass uns in Ruh! Leben, lass uns nicht darben, lass uns leben! Lass uns glücklich sein!

Karten nur im Vorverkauf und nach Verfügbarkeit.
burgtheater.at

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