Spitzenköche wissen den exquisiten Geschmack von Taubenfleisch seit jeher zu schätzen und innovativ zu unterstreichen.

Spitzenköche wissen den exquisiten Geschmack von Taubenfleisch seit jeher zu schätzen und innovativ zu unterstreichen.
© StockFood | Tre Torri | Shutterstock

Darum setzen Top-Köche auf Tauben aus dem Burgenland

Die Geschichte von den gebratenen Tauben ist nicht zufällig die bekannteste Assoziation mit dem mythischen Schlaraffenland. Die köstlichen Vögel werden auch im Burgenland gezüchtet, verarbeitet und verehrt. Aber nun scheint ihre Produktion in Gefahr.

Es kracht verheißungsvoll, als das Messer durch die knusprige Haut fährt. Darunter kommt kraftvolles, unendlich zartes Fleisch mit einem rubinroten Schimmer zum Vorschein. Taube gilt nicht zufällig als vornehmes Fleisch par excellence – im mythischen Schlaraffenland geht es auch deshalb so lukullisch zu, weil einem da »gebratene Tauben in den Mund fliegen«.

Fantastisches Fleisch, knusprig gleißende Haut, dazu ein wahrhaft edler Geschmack – und, für ein landwirtschaftlich genutztes Tier ganz wichtig, ein sehr gesunder Hang zur Reproduktion. Seit Jahrhunderten genießt die Taube deshalb in der Großen Küche den Nimbus des edelsten aller Fleischgänge.

Dass Taube in unseren Breiten, im Unterschied zu Italien, Großbritannien und Frank­reich, heute nur noch in den erlauchten Sphären der Nobelgastronomie zu finden ist, müssen wir der Industrialisierung der Landwirtschaft ebenso zuschreiben wie der Vergenossenschaftung des Agrarsektors nach dem Krieg, die vielen lokalen Traditionen den Garaus gemacht hat.

Urösterreichische Tradition

Noch bis in die 1950er-Jahre waren Taubenschläge, aus denen Tauben ein- und ausflogen, in den Dörfern des Burgenlandes gang und gäbe. »Die Taube am Bauernhof ist eigentlich eine urösterreichische Tradition«, sagt Österreichs bester Koch Heinz Reitbauer, der sich der Rettung solcher Merkmale der echten österreichischen Küche verschrieben hat – und so zum international gefeierten Star wurde. 

Dementsprechend »begeistert« war Reitbauer laut eigener Aussage, als vor einigen Jahren die Taubenzucht in Österreich wieder Fuß gefasst hat – und noch dazu »mit Ergebnissen, die sich interna­tional nicht verstecken müssen – im Gegenteil!« Dass dem so ist, ist ausschließlich das Verdienst von Gerhard Methlagl.

Der Mann ist Vorarlberger und war einst Masseur des österreichischen Abfahrts-Nationalteams. Aber er träumte »schon als Bub« davon, einmal Bauer zu werden. Weil er außerdem ein Freund des wirklich guten Essens ist und Tiere liebt, erstand er im Südburgenland, kaum drei Kilometer von der ungarischen Grenze, einen alten Hof und begann mit der Taubenzucht. »In Vorarlberg hätte ich mir die Grundstückspreise einfach nicht leisten können«, lacht er.

Tauben kehren zurück

Methlagl züchtet seine Tiere in hochmodernen Volieren – bisher ist er damit der Einzige im deutschen Sprachraum. Längst sind auch Reitbauers Kollegen aus der Top-Gastronomie, darunter natürlich auch Burgenlands Top-Koch Max Stiegl vom Gut Purbach, auf die außerordentlich zarten und fleischigen Vögel aufmerksam geworden.

Inzwischen liefert Methlagl sogar in seine alte Heimat Vorarlberg, konkret zum gefeierten Top-Chef Max Natmessnig im »Schualhus« der »Roten Wand« in Lech. Natmessnig, der über Jahre im New Yorker Dreisterner »Brooklyn Fare« in verantwortlicher Position gekocht hat, ist begeistert von der Qualität der Tauben: »Das Fleisch hat absolutes Top-Niveau, kann sich jederzeit mit französischen und auch kalifornischen Tauben messen, wie wir sie im ›Brooklyn Fare‹ bekommen haben.«

Methlagl füttert nur heimisches Biogetreide, Mais, Ackererbsen und Ackerbohnen. Auf Antibiotika kann er verzichten – und setzt stattdessen auf Kräutertees, Knoblauchwasser und Fermente, um das Immunsystem der Tiere natürlich zu stärken.

Die Lust am Kochen treibt ihm in den letzten Jahren auch viele private Kunden zu. Sie dürfen sich über handgerupfte, nach Wunsch auch »à l’étouffée«, also ohne Blutverlust geschlachtete Tauben freuen, deren zartes Fleisch zu den ganz großen Freuden fortgeschrittener Genießer gehört. Immer samstags steht Methlagl mit seiner Ware am Markt in der Lange Gasse in Wien Josefstadt, auf Wunsch wird aber auch über Nacht via Kühlpaket verschickt.

Produktion in Gefahr?

Jetzt aber scheint sein Qualitätsbetrieb in Gefahr zu sein. Weil die österreichische Wirtschaftstaubenzucht in den vergangenen Jahren keine Tradition mehr hatte, wird die Taube in der Tierhalteverordnung des Landwirtschaftsministeriums nicht mehr als Fleischgeflügel geführt.

Methlagl hat sich bisher damit beholfen, bei den Brieftaubenzüchtern unterzukommen – die züchten zwar auch Tauben, aber per Definition nicht für den Genuss durch Feinschmecker. »Es wäre absolut dramatisch, wenn diese Tradition nach erfolgreicher Wiederbelebung wieder abgedreht werden würde«, sagt Heinz Reitbauer.

Weil Gerhard Methlagl herausragend arbeitet, gab es bislang nie Beanstandungen vonseiten des Tierschutzes oder der Tierärztin, die seine Ware in Augenschein nimmt. »Die Nachfrage ist so, dass ich eigentlich Arbeitsplätze schaffen und neue Leute anstellen möchte. Aber ich stehe unter immensem Druck«, sagt der Landwirt. Und das, obwohl die anerkannt besten Köche des Landes genau seine Produkte der Importware (die dank EU-Bestimmungen natürlich als Lebensmittel zugelassen ist) eindeutig vorziehen.

Deshalb hofft er, dass die Politik im Rahmen der anstehenden Novelle der Tierhaltungsverordnung ein Einsehen hat und die bäuerliche Taubenzucht als Wirtschaftsgeflügel klassifiziert. Dass hier ein Markt für herausragendes Geflügel im Entstehen begriffen ist, lässt sich auch daran ablesen, dass sich Landwirte aus Oberösterreich und Kärnten bei Methlagl melden, um sich Tipps für den Aufbau einer Zucht zu holen: »Solange diese Ungewissheit herrscht, trauen sie sich aber über die nötigen Investitionen noch nicht drüber.«

Heinz Reitbauer vom »Steirereck« assistiert: »Ich hoffe sehr, dass die heimische Tradition der Taubenzucht nicht verschwinden muss.« Der Markt ist da, die Kunden sind begeistert – jetzt ist die Politik gefordert.

Interview

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger über die Wichtigkeit von Nischenprodukten. Hier geht's zum Interview.

Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2021

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Severin Corti
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